Der Ozean ist eine verbindende und keine trennende Macht. Er war des Menschen erster Verbindungsweg von den Tagen an, als es ihm gelungen war, die ersten Schiffe zu bauen – lange bevor er Pferde zähmte, Räder erfand und Wege durch den Dschungel schlug. Aus „Kontiki“ von Thor Heyerdahl
Langsam schaufelt sich die INTI durch die unendlichen Weiten des Pazifiks. Es ist blau, unglaublich blau und das Wasser so klar, dass man die Sonnenstrahlen bis tief unter die Wasseroberfläche beobachten kann. Wir sind wieder einmal zwei Wochen unterwegs, allein, kein Schiff in Sicht, kein Flugzeug am Himmel nur wir und das Meer. Hin und wieder kommt ein Vogel vorbei, springt ein Fisch aus dem Wasser, rüttelt uns eine Regenböe durch, ansonsten Ruhe und Weite – ein unbeschreibliches Gefühl. Dann erscheint Land, ein kleiner Punkt erhebt sich aus dem Blau und wächst langsam zu einem Berg heran, dann ein zweiter ein dritter. Die Gambier Inseln funkeln im Morgenlicht, „Land Ho!“, nicht mehr weit bis Französisch Polynesien! Euphorie macht sich breit auf der INTI, es ist immer wieder ein unglaubliches Glücksgefühl, wenn nach so langer Zeit das Ziel am Horizont erscheint. Müdigkeit und Anstrengung verfliegen als wären sie nie dagewesen, Stolz und Freude nehmen ihre Plätze ein. Wir werfen eine CD mit Rapa-Nui-Rock ein, gleiten bei guten Wind durch den Pass in das Atoll, schlängeln uns vorbei an Korallenriffen und kleinen Inseln Richtung Hauptinsel Mangareva und werfen den Anker direkt vor dem Hauptort Rikitea. Der Ankerplatz ist perfekt geschützt und nach den rolligen Ankerplätzen der letzten Wochen liegen wir jetzt absolut ruhig, nicht die kleinste Welle plätschert an der Bordwand. Lediglich die Regentropfen stören die Ruhe, denn es ist grau und regnerisch. Doch die INTI freut sich darüber, dass ihre dicke Salzkruste mal wieder abgewaschen wird und auch wir nehmen es gelassen, werden wir doch von einer ganzen Schar befreundeter Boote begrüsst. Schnell füllt sich das Cockpit der INTI mit Freunden, baumeln diverse Dingis an ihrer Seite, werden die Biervorräte aus den Bilgen gekramt. Was für ein Willkommensfest, wir fühlen uns schlagartig zuhause! Am nächsten Morgen wartet schon ein duftendes Baguette in unserem Cockpit als wir, zugegeben ziemlich kleinäugig, aus unseren Kojen kriechen.
Obwohl so weit entfernt, ist der französische Einschlag allgegenwärtig. Als wir nach 16 Tagen erstmals wieder Land betreten werden wir freudig mit „Bonjour“ und „Ca-Va?“ begrüsst, zwischen den typischen Leichtbau-Tropenhäusern finden wir massive Steinhäuser und Kirchen, die uns an Frankreich erinnern. Vor der Gendarmerie, wo wir unseren Papierkram erledigen müssen, weht die Trikolore neben der Flagge von Französisch-Polynesien. Die Beamten sind allerdings ganz klar Polynesier und als wir ein paar Worte auf Rapa-Nui ins Gespräch bringen ist das Eis sofort gebrochen! Freudig werden wir begrüsst, mit Infos überschüttet und tauschen unseren raren polynesischen Wortschatz, die Sprache der Osterinsel scheint der von Gambier sehr ähnlich zu sein.
Ein paar Tage später versammeln sich die vielen Boote in der Bucht zu einer kleinen Party am Dorfstrand. Mit Stefan von der „Abraxas“ sind wir schon etwas früher da und wollen ein bisschen Artistik mit Slackline, Jonglierkeulen und Frisbee üben. Doch sobald die Kids aus dem Dorf uns erblicken wird es schwer, auch nur noch einen Fuss auf die Slackline zu bekommen. Sie strömen in Scharen heran, stehen Schlange vor der Slackline, balancieren laut johlend und scherzend an unseren Händen darüber, fragen uns Löcher in Bauch und legen einen unglaublichen Ehrgeiz an den Tag. Die eigentliche Party rauscht ziemlich an uns vorbei, denn während Capitana unermüdlich die Kids über die Slackline balanciert muss Smutje in einer anderen Traube von Kids immer wieder die Jonglierkeulen und die Frisbee werfen. Die Augen der Kids leuchten, was für eine Lebensfreude! Als in der Dämmerung unsere vielen neuen Freunde nach Hause müssen und wir uns völlig durchgeschwitzt zu der Seglerrunde begeben, lernen wir David und Atac kennen. David ist Biologe und der Leiter von „MANU“, einer Organisation die sich für den Vogelschutz in Polynesien einsetzt. Seine aktuelle Mission ist die Wiederansiedlung heimischer Vogelrassen auf der unbewohnten Insel Makaroa im Atoll. Die ursprüngliche Population wurde durch eingeschleppte Ratten und Ziegen vertrieben. Jetzt hat der Forscher, zusammen mit seinem lokalen Assistenten Atac, die Ratten und Ziegen ausgerottet und versucht, die Vögel wieder anzulocken. Aus alten Fischerbojen haben sie etwa 60 Vogelhäuser gebaut die jetzt zusammen mit einer Soundanlage mit Vogelgeräuschen auf der Insel installiert werden sollen. Die Beiden fragen uns, ob wir nicht Lust hätten mitzumachen und wir sagen sofort Ja!
Am nächsten Tag beladen wir die INTI mit den Vogelhäuschen und machen uns zusammen mit der „Abraxas“ auf den Weg. Vor der wilden Insel Makaroa finden wir nach langem Suchen einen kleinen Sandfleck zwischen Korallen und Felsen in dem endlich unser Anker hält und landen unser Bananaboot in einer ziemlichen Harakiriaktion an der wild zerklüfteten Küste. Doch alles geht gut und wir werden schon freudig von David und Atac erwartet. In ihrem aus einer Plane errichteten Basiscamp brutzeln schon Hühnchen, Reis und Würste auf dem Feuer und wir haben einen wunderbaren Abend zusammen. Zusammengekauert unter der Plane im strömenden Regen und umgeben von wilder Natur erfahren wir viel Interessantes. David hat vor diesem Projekt schon mit den Bonobo Affen im Kongo gelebt und eine Zeit bei den Pinguinen in der Antarktis verbracht und Atac kennt sich gut mit der lokalen Gegebenheiten aus. Wir probieren bestimmte Seealgen und lernen viel über die Verwertung der Kokosnuss. Beispielsweise lassen sich die alten, frisch gekeimten, Nüsse öffnen. Im Inneren wächst eine Frucht, die zwar in der Konsistenz eher an Styropor erinnert aber wunderbar nach Kokos schmeckt. Ein leckeres Frühstück, nach welchem wir gestärkt unsere Mission starten. Immer wieder kraxeln wir langsam die steilen und rutschigen Hänge der Insel hinauf und befördern Lautsprecher, Autobatterie, Solarpaneel, Soundanlage und etliche Vogelhäuser zu den Gipfeln. Mit Spitzhacke und Schaufeln graben wir die an Schlumpfhäuser erinnernden Häuschen halb ein, buddeln kleine Landeplattformen davor und errichten so fünf Dörfer an den Hängen. David versucht derweil die Soundanlage zu installieren mit der er die Vögel austricksen will. Die Vögel sind neuen Inseln gegenüber sehr skeptisch und kommen nur näher wenn sie ihre Artgenossen in der Nähe hören. Doch die Anlage will nicht funktionieren und es fehlen sämtliche Messgeräte und Werkzeuge. Also Anlage wieder runter hieven um sie zur INTI zu bringen wo Smutje sie überholen kann. Doch daraus wird nichts, denn das Meer wird immer wilder. Wir versuchen unser Glück an einem anderen Ankerplatz doch nach einer extrem schaukeligen Nacht mit brechenden Wellen 30 Meter hinter dem Boot beschliessen wir, zurück nach Rikitea zu segeln. David ist trotzdem glücklich, Schlumpfhausen-Polynesien ist errichtet und Smutje kann ihm seine Soundanlage problemlos in Rikitea reparieren. Bleibt zu hoffen, dass sie auf der Insel möglichst viele Vögel anlockt, die es sich dann in den Häuschen bequem machen. Wir werden David auf jeden Fall in Tahiti besuchen und uns berichten lassen. Was für eine tolle Expedition!
Zurück in Rikitea dreht sich alles um das Thema Wetterfenster. Der kühle, regenreiche Winter naht und die konstanten Winde Richtung Norden werden immer seltener. Uns zieht es eigentlich noch nicht weiter, aber das Wetter gibt uns schon zu denken.
Die paradiesischen Atolle der Tuamotus locken.
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