Unser Leben ist endlich wieder blau, türkisblau um genau zu sein! Um uns herum erstrahlt in allen Blautönen die karibische See, hier und da unterbrochen von einer kleinen Palmeninsel mit weissen Stränden. Am Aussenriff brechen sich wild rauschend und schäumend die Wellen, die hier erstmals nach ihrem langen windigen Weg über die Karibik auf Land treffen. Dahinter liegen wir angenehm ruhig, umgeben von kleineren Riffen und Sandbänken. Die Fische tummeln sich! Neulich Nacht wurden wir von ein paar Adlerrochen besucht, die in der mondlosen Nacht in phosphoreszierendem Grün durchs Wasser schwebten, im Schimmer unserer Ankerlaterne prügeln sich die Jackfische, ein paar Hornhechte schlängeln vorbei, eine Schildkröte hat auch schon den Kopf aus dem Wasser gestreckt und die eine oder andere dreieckige Rückenflosse wurde gesichtet. Ein Hai? Zum Nachschauen waren wir dann doch zu feige. Ab und zu segelt ein Einbaum vorbei, hier und da eine Segeljacht. Ansonsten Ruhe und Weite. Seit ein paar Tagen schaukeln wir in San Blas oder Guna Yala, wie es bei dem Volk der Kuna heisst, die dieses Gebiet mit ihren ganz eigenen Regeln und Traditionen in einer Art Autonomie von Panama verwalten. Drei- bis vierhundert Inseln umfasst dieser Landstrich, im Norden begrenzt durch Korallenriffe und Inseln und im Süden durch dichten Dschungel, der sich bis hoch in die Berge zieht. Lediglich eine Strasse durchkreuzt dieses ansonsten so abgeschnittene Gebiet, das sich über ungefähr 200km bis zur Grenze von Kolumbien erstreckt. Schwer zu erreichen für Landratten, genau das Richtige für uns und unsere INTI!
Guna Yala war immer einer der wenigen Fixpunkte unserer Reise. Einer der Orte, die wir unbedingt sehen und nicht dem Zufall überlassen wollten. Aber wie das beim Langsamreisen und vor allem beim Segeln so ist, machen die Wege manchmal unvorhergesehene Schnörkel und Umwege. So sind wir ungefähr anderthalb Jahre später als erwartet hier angekommen. Nicht zuletzt „Schuld“ daran waren unsere anderen Fixpunkte, sprich Marokko, die Kapverden und Cuba, die uns nicht so schnell loslassen wollten, aber auch die vielen unerwarteten Schlenker, die unserer Reise genommen hat. Highlights und Flops, Höhen und Tiefen, langsames Eintauchen und Verweilen an einem unerwartet schönen Ort und zähneknirschendes Warten auf besseres Wetter oder Ersatzteile an rolligen Ankerplätzen, neue Freundschaften und Wiedersehen mit Bekannten, die die Abschiede erschweren, Eindrücke, neue Erfahrungen und Empfehlungen; die Reisepläne drehen und wenden sich wie unsere Windfahne. Fast drei Jahre sind wir jetzt schon unterwegs und immernoch diesseits des Panamakanals. Das ist aber ganz und garnicht schlimm, denn genau so wollten wir weiterreisen als wir uns nach der Biskayaüberquerung vom strikten Kurshalten auf der Barfussroute und dem Hinterherhetzen der Saisons verabschiedet haben. Entschleunigung und intensiveres Entdecken und Lernen von Natur und Kultur anderer Länder war immer unser Ziel. Das geht nur, wenn man länger an Orten verweilt, Freundschaften schliesst, Gespräche führt, einen Blick hinter die Kulissen werfen kann, ein Auge für die Details entwickelt. So manches Mal hat sich ein zunächst enttäuschender Platz als einzigartig herausgestellt und eine vermeintliche Traumkulisse als Touristenfalle. Also schlendern wir weiter und versuchen so gut wie möglich in unsere Umgebung einzutauchen. Unser nächster Fixpunkt ist die Osterinsel, über 3000 Seemeilen entfernt und mitten im pazifischen Ozean. Mal sehen, welche Umwege uns jetzt noch erwarten und wann uns die Winde dorthin verschlagen werden. Jetzt schleichen wir erstmal durch Guna Yala, es gibt viel zu entdecken!
Auch unser Ankerwurf in San Blas hat sich mal wieder unerwartet lang hinaus gezögert. Eigentlich waren wir schon Weihnachten dort verabredet, daraus wurde Sylvester, dann Februar und letztendlich schafften wir es erst im März, vor Puerto Lindo den Anker zu lichten. Die Ankerkette hatte sich schon in eine wahre Muschel- und Algenzucht verwandelt und wollte uns auch nicht so richtig loslassen. Diesmal waren es vor allem technische Probleme, die uns so lange festgehalten haben, aber wie bereits berichtet sind wir dadurch tief in Puerto Lindo eingetaucht und haben viele neue Freundschaften geschlossen. Unserer INTI ist Puerto Lindo auch gut bekommen, nicht zuletzt weil wir die Werkstatt von Guido, dem deutschen TO-Mann und Motorexperten vor Ort, mitbenutzen durften. Die alte Dame, der Motor, schnurrt wieder wie ein Kätzchen, freut sich über einen nagelneuen Wärmetauscher, neue Füsse, frische Einspritzdüsen, Filter und Keilriemen, neue Impeller und Wellenlager, sauber eingestellte Ventile und Ausrichtung und hat durch eine glückliche Fügung auch noch neue Schallisolierung bekommen. Ein Pazifiksegler brauchte Platz und verkaufte uns ein paar Rollen nagelneue Isolierung. Endlich konnten wir uns von der bröseligen, extrem juckenden alten Isolierung trennen! Im gleichen Zug überarbeitet Smutje noch die Verkabelung und baut Licht in den Motorraum. Unser alter Freund aus Cuba, John von der „Stingo“, braucht ebenfalls Stauraum für den Pazifik und tauscht mit uns noch ein nagelneues Sonnensegel gegen ein Abendessen. An seiner Nähmaschine passen wir es noch ein bisschen an und bauen eine Nirostange von Guido ein. Jetzt kann man es sowohl als Sonnenschutz als auch als Wassersammler bei Regen nutzen. Unser letztes Sonnensegel, das wir noch vor Usedom von einem von unserer Reise begeisterten Segler geschenkt bekommen haben, hatte die Sonne schon so gut wie aufgefressen. So schrumpfen die Aufgaben auf unsere Liste Stück für Stück dahin. Nebenbei bringen wir noch die „Dörtita“ von Heiner, den wir ebenfalls in Cuba kennengelernt haben, als sogenannte Linehandler mit durch den Panamakanal. Die Vorschrift des Kanals verlangt vier Personen zum Bedienen der Leinen und einen Lotsen bei der Durchfahrt. Etwas schmunzelnd denken wir bei dem TamTam, das die Behörden hier veranstalten, zurück an den Nordostseekanal, der nun auch nicht unbedingt von weniger grossen Pötten befahren wird. Dort bezahlten wir ein paar Euro am Schleusenkiosk und tuckerten selber durch. Trotzdem eine gute Übung für unsere Kanaldurchquerung. Zu guter Letzt wird es dann doch hektisch auf der INTI, wir bunkern säckeweise Proviant, düsen hin und her zwischen Panama Stadt, Colon und Puerto Lindo, Smutje baut den endlich eingetroffenen Wärmetauscher ein, wir knattern mit Spezialadditiv im Öl ein Runde Vollgas und qualmend durch die Bucht, um dem Motor auch noch den letzten Russ auszubrennen und machen einen Ölwechsel, Sprit fürs Dingi muss ran und verschiedene Leute verabschiedet werden. Dann geht es endlich im Morgengrauen los! Die INTI besteht ihre Testfahrt mit Bravour, Reparaturlaub beendet – die Reise geht weiter!
Die Blogger John und Marc von „1 THING TO DO“ haben eine Blogparade zum Thema „Slow Travel/Langsames Reisen“ aufgerufen. Ein Thema, das auch uns sehr am Herzen liegt! Wir denken vor allem dieser und der vorherige Artikel passen dazu ganz gut und beteiligen uns daher gerne an dieser Parade. Mehr Infos findet ihr unter http://1thingtodo.de/slow-travel-blogparade/
Wieder einmal ein toller Bericht und wie seit vier Jahren regelmäßig um diese Zeit schicke ich euch viele Grüße von dem großen Meer auf der anderen Seite des südamerikanischem Kontinents, dem Pazifischen Ozean, der hier alles andere als friedlich ist. Bei starkem Wind kommen die Wellen haushoch angerollt und knallen mit Wucht an die felsige Küste. Und der Wind ist hier immer und ewig.
Aquí se estableció el viento.
Esta isla era en verdad el corazón
del viento,
el verdadero ombligo
del mundo (Pablo Neruda)
Vor Hotu Matua
hatte hier der Wind sich eingerichtet.
Diese Insel war in Wahrheit das Herz
des Windes der wahre Nabel
der Welt ……… Te pito o te henua
Ich glaub’, ihr macht das genau richtig. So viel Farbe und Detailfreude steckt in euren Berichten und so wenig Statistik mit Etmalen. Wir freuen uns auf den Beginn der Saison und werden in alter Manier entschleunigen und downsizen, seit einigen Jahren Leitvokabeln bei Ostseeseglern. Nicht bei allen, aber bei einigen. Von den San Blas Inseln haben wir vor vielen, vielen Jahren schon gehört oder gelesen und seitdem kennen wir das Wort “Mola”. In einer Austellung hier in Bremen gabs welche zu sehen.
Wir drücken die Daumen für den Panama-Kanal und den Motor, dass er durchhält! Danke für die tollen Fotos!
Glück auf den Weg wünschen
Rainer&Ingrid