Wir müssen noch eine Weile in Niuatoputapu in Tonga ausharren, der Wind ist zu stark, um weiter nach Fiji oder einfach ins südliche Tonga zu fahren. Aber langweilig wird uns nicht, neue Boote kommen an, der Agrikulturoffizielle Etu macht mit uns eine Inseltour, zu dreizehnt auf einem Pick-Up über die Insel, hier ein Stop um Papayas zu ernten, dort ein Stop um Brotfrüchte einzusammeln und zum Süsswasserpool, eine etwas nach Schwefel riechende Spalte mit kristallin schimmernden Süsswasser. Und natürlich- das Highlight-das schon bei der Einreise verabredete Pigroast. Mit etlichen Dingis werden nicht nur alle Gäste sondern auch zwei lebende Ferkel auf eine vorgelagerte Insel transportiert, sogleich fachmännisch geschlachtet, die Borsten über dem Feuer entfernt und der Rest im Meer abgeschrubbt. Die Gedärme werden entnommen und erklärt und durch den Po ein Stock geschoben, der zum Maul wieder herauskommt. In Schichten wird nun das Ferkelchen über dem Feuer angenehm saftig und knusprig gedreht. Jammijammi, wir essen, lachen, tanzen und trinken und ein schöner Tag neigt sich dem Ende zu. Jetzt müssen wir doch auch mal Kava probieren, haben wir doch schon so viele gute und schlechte Stories dazu gelesen und gehört. Also kommt Etu auf die „Abraxas“, ein Päckchen Kava hatten wir gekauft, welches durch ein feines Tuch in Wasser geseiht wird. Und der Geschmack ist wider Erwarten garnicht schlecht. Weder aufdringlich, noch bitter, erdig oder unangenehm. Irgendwie puderig und schwer. Die Wirkung stellt sich langsam ein, ist aber auch nicht wuchtig oder überraschend, es lässt die Glieder und den Kopf entspannen und macht einfach nur ein bisschen relaxter. Der Schlaf danach ist wunderbar und tief. Nur, dass Capitana einen Traum hat: Sie sieht einen Zweimaster in die Bucht einlaufen mit zerrissenem Segel. Naja, sowas träumt man schonmal, käme da nicht einen Tag später eben ein solches Boot in die Bucht geschippert, ein Zweimaster mit einem Problem mit der Rollfockanlage, weswegen das Segel nicht eingeholt werden kann und wild im Wind vor sich hin tobt. Etwas gruselig war das schon.
Es wird weiter über das Wetter gefachsimpelt, Wind und Welle wollen sich einfach nicht beruhigen. Wir geben den Plan nach Fiji zu fahren auf und suchen tagelang nach einem Wetterfenster in die südliche Vavau-Gruppe und finden mit Ach und Krach eines, um die 180 Meilen irgendwie zurücklegen zu können.
Als will Niuatoputapu uns nicht gehen lassen! Gut vorbereitet starten wir im Morgenlicht den Motor, doch der gibt beim Start ein merkwürdiges Geräusch von sich….Was ist denn da los? Schnell ist gecheckt, dass es sich nicht um ein gravierendes Problem handelt, aber jetzt klemmt auch noch die Fernbedienung der Ankerwinsch! Doch auch sie macht mit, so dass wir „Abraxas“ folgen können. Doch mit einem Mal macht es RUMMS, da war doch wohl mal eine grüne Tonne, doch irgendwie haben wir uns verkalkuliert und hängen bombenfest auf der Koralle. Vollgas Rückwärts, doch ausser einer schwarzen Russwolke tut sich nichts. Über Funk trommeln wir die anderen Boote zusammen und beordern „Abaxas“ zurück. Ein dazugestossenes Fischerboot legt „Inti“ mit einer Leine an der Mastspitze auf die Seite und mit den vereinten Kräften zerren wir die sie vom Riff. Puhhh, was für ein Schreck und zwei wertvolle Stunden sind verloren. Noch einmal runtergetaucht, dank Stahlboot keine Schäden entdeckt, ausser dass der Muschelbewuchs an der Kielsohle einmal abrasiert wurde. Ruder und alles andere sehen gut aus. Was für ein übler Schreck in der Morgenstunde!
Also hinaus in die wilde See, das angebliche Wetterfenster beschert uns Starkwind und Böen in Sturmstärke. Hart am Wind arbeiten wir uns voran, die Wellen knallen gegen den Rumpf und fegen über Deck und Cockpit, alles ist nass und salzig, doch unsere nordseegeprüfte „Inti“ nimmt es gelassen und nach zwei anstrengenden Tagen und einer Nacht erreichen wir im Abendlicht die Vavau-Gruppe. Wir biegen hinter die erste Insel in Lee, Ruhe kehrt ein und ein Buckelwal begrüsst uns mit seinem Blas. Was für ein bizarrer Anblick! Komplett anders sind diese Inseln als alles vorher gesehene-die Steilküstenformation erinnert mehr an die englische Küste als unsere bisherigen Südseeatolle. Erstmal lassen wir den Anker zwischen den malerischen Felsen fallen, um uns vom harten Ritt zu erholen, bevor wir in die „grosse“ Stadt Neiafu fahren. Als wir am nächsten Tag um die Ecke biegen liegt vor uns ein riesiges Mooring-Feld, doch gibt es einen kleinen Streifen vemeintlichen Sandstrand und wir versuchen unser Bestes. Doch der Sand ist hart wie Stein und der Anker rutscht und rutscht. Also in den sauren Apfel beissen und uns an eine Mooring hängen und bezahlen. Doch letztendlich lohnt sich der Preis (etwa 7 Euro pro Nacht) und wir können uns endlich richtig ausschlafen.
Naja, eigentlich nicht, denn schon am nächsten Tag ist der Besuch des Königs von Tonga angesagt, der hier eine Landwirtschaftsschau eröffnen soll. Also ab ins Dingi und hin zu den royalen Festlichkeiten. Auf halbem Weg schon werden wir von einem Pickup mitgenommen, der uns bis an die Tore der Show fährt. Überall werden Massen an Obst und Gemüse präsentiert, Fische, Schweine samt Angabe des Kampfgewichts, Schafe, Ziegen. Doch zunächst bekommt jeder Aussteller in einer aufwendigen Zeremonie mit Knicks vor dem König eine Urkunde überreicht. Die Zuschauer sitzen währenddessen auf dem Boden. Anschliessend wird für den König getanzt und gesungen, mit dickem Öl bestrichene Mädchen führen so ganz andere Tänze auf, als wir sie bisher aus der Südsee gewohnt sind. Anschliessend werden Geldscheine auf die Ölschicht geklatscht. Ausgehklamotte ist hier durchgehend die Bastmatte um die Hüfte mit Rock drunter und langem Hemd, meistens in Schwarz. Wir schwitzen schon so in der Hitze! Am Ende noch die Schüler-Big-Band und dann begibt sich der König auf zur Besichtigung der Stände, verweilt hier, redet ein wenig da. Jetzt wird der Trubel gross, denn nach der Abnahme durch den Royal darf das Zeug verjubelt werden! Der Andrang ist riesig, es gibt frische Salate, Broccoli, Rettich, Ananas, Papaya, Fisch und und und. Wir erstehen köstlichen, knackigen Salat, nachdem wir uns auf der Fressmeile etliche Fleischspiesse zu Gemüte geführt haben.
Satt und zufrieden treten wir den Heimweg an und geniessen dieses quirlige Village noch ein paar Tage beim Happy-Hour-Bier oder einfach gemütlich auf „Inti“. WIr füllen „Intis“ Bauch und die Freude ist so riesengross, denn der lokale Markt strotzt nur so von den so lang vermissten TOMATEN! Rund und rot stechen sie ins Auge und rufen einfach nur: „Iss mich!“ Was für eine Augenweide und vielmehr Schlemmerfreude! Nach knapp zwei Monaten ohne Frischzeug so etwas! Wunderbar! Capitana freundet sich mit der Marktfrau an, nachdem sie ihr mitgeteilt hat, dass ein Leben ohne Tomaten grau und trist ist. Jetzt gibt es immer ein grosses Hallo ( Malo e lei lei!) und einige Extratomaten und Bananen in den Beutel. Wir erkunden noch einige Ankerplätze in dieser herrlichen Inselgruppe, nehmen an einem ausladenden „Tongan Feast“ teil, es wird aufgetischt was das Zeug hält, ein Ferkel gegrillt, es gibt unzählige Gerichte mit Fisch, Oktopus, Hühnchen, und und und. Die Buchten sind wunderschön, gesäumt von den hohen Bergen und meistens auch sehr, sehr tief. Und für uns ist das Wasser kalt! Das kennen wir garnicht mehr, auch die Nächte laden zum Einrollen in die Decke ein, sind so frisch wie schon lange nicht mehr. In einer Bucht, die sich „Blue Lagoon“ nennt und ihrem Namen überaus gerecht wird schmeissen wir den Anker, am Abend sehen wir hinter dem Riff die grossen Humpback-Wale, die in dieser Zeit hier durch die Meere ziehen. Leider nie ganz nah, dass wir mit ihnen schwimmen können, was ein absolutes Highlight sein muss. Aber wir besuchen Elke und Werner, die hier auf einer grösseren Insel leben, vor Jahren mit dem Segelboot hier angekommen sind und sich ein wahres Paradies geschaffen haben. Sie betreiben hier die TO-Aussenstelle Tonga und begrüssen uns herzlich zum Kaffee und erfreuen uns mit vielen Geschichten von ihrer langen Zeit auf See.
Und langsam heisst es auch schon Abschied nehmen von diesem ungewöhnlichen Königreich, welches so fern, fremd und freundlich ist. So unglaublich fern von unseren westlichen Vorstellungen von Arbeitsmoral und Effizienz, so entspannt in der Ausübung von Arbeit, dass es selbst uns, die wir ja schon so lange über die Meere schippern und viele Kulturen gesehen haben zum Innehalten und Geduld üben mahnt. Die selbsternannten „friendly people of Tonga“ werden ihrem Ruf gerecht, so unvoreingenommen lieb und nett sind sie, wir werden auf uralten Pickups mitgenommen, Schulkinder kichern einen an, rufen Sprüche herüber, wollen die Hand geben, kleine Kinder winken aus offenen Autofenstern und rufen komischerweise immer „Bye“, nicht „Hi“, aber daran haben wir uns schon gewöhnt. Überall wird gelacht und gekichert, nie hören wir Gemecker und Geschrei, die Sonne scheint, die Abende sind angenehm frisch und die Zeit steht ein wenig still.
Euch gefallen unsere Geschichten? Ihr wollt radiopelicano unterstützen? Dann werft ein paar Groschen in unsere Bordkasse und helft uns über den Pazifik. Smutje und Capitana sagen Dankeschön! Zur Spendenseite
This entry was posted in Allgemein