Letzte Hindernisse
Laut Karte liegen noch drei Brücken und einige Hochspannungsleitungen auf den letzten 500 Flusskilometern vor uns. Den Angaben zufolge sind alle hoch genug. Aufregend ist es dennoch, denn vom Wasser aus ist es praktisch unmöglich, die Höhe der Brücken einzuschätzen. Wir sind froh, als die dritte Brücke endlich hinter uns liegt.

Doch was ist das? Plötzlich erscheint eine vierte Brücke vor unserem Bug, die weder in unserem Donauführer noch in den Karten von Navionics verzeichnet ist!? Diese mächtige nagelneue Hängebrücke sieht glücklicherweise auf den ersten Blick höher aus als die alten Stahlkonstruktionen, die wir zuvor passiert haben. Und da liegt unsere (hoffentlich) letzte Brücke vor dem Schwarzen Meer auch schon in unserem Kielwasser, erleichtert atmen wir auf.

Unsicherheiten
Vor uns liegt jedoch die nächste Herausforderung, die uns etwas auf den Magen drückt. Mittlerweile gehören beide Ufer zu Rumänien, doch in ein paar Kilometern gehört die eine Donauseite für ein paar hundert Meter zu Moldawien und dann für gut 60 Kilometer zur Ukraine. Vor zwei Jahren wurden dort die Donauhäfen bombardiert, jetzt soll alles ruhig sein, doch stimmt das wirklich? Nachdenklich versuchen wir, in der letzten rumänischen Stadt vor diesem Abschnitt einen Platz für die Nacht zu bekommen. Diese Grenzregion wollen wir möglichst zügig und bei Tageslicht durchfahren.

Frustriert fahren wir die Uferpromenade auf und ab, rufen hier und da mal rüber, ob wir anlegen dürfen, doch Galati scheint keinen Platz für Besucher auf dem Wasser zu haben. Als wir schon enttäuscht einen Ankerplatz außerhalb der Stadt suchen wollen, winkt uns ein Mann mit Zopf und dicken Goldamuletten um den Hals von seinem Hausboot aus herüber. Er zeigt auf die beiden alten zum Restaurant umgebauten Donaudampfer vor sich: „Das sind beides meine, könnt gerne daran festmachen!“ Gesagt getan.

Marcel oder Capitan M, wie er sich auch nennt, freut sich sichtlich über unseren Besuch und noch mehr, nachdem wir ihm erzählen, wo wir mit unserem Boot herkommen. Das muss erstmal dem gesamten Küchen- und Restaurantpersonal erzählt werden! Natürlich dürfen wir die Nacht umsonst an seinem Dampfer liegen und wenn wir wollen auch das Bad benutzen. Da ist sie wieder: diese unglaubliche Gastfreundschaft, die uns schon den ganzen Balkan lang begleitet!

Der erste Kontakt mit Rumänien
Froh, einen Platz für die Nacht gefunden zu haben, machen wir uns auf den Weg, unsere erste rumänische Stadt – Galati – zu erkunden. Viel gibt es nicht zu sehen, die Stadt wurde im zweiten Weltkrieg arg zerstört. Jetzt ragen Betonklötze aus der sozialistischen Zeit gen Himmel, hier und da unterbrochen von einem verfallenen alten Haus oder einer rausgeputzten orthodoxen Kirche. Auffällig sind die vielen Springbrunnen in der Stadt, in denen munter das Wasser plätschert. Auch hier wird wieder ausgelassen flaniert, Rumänien gefällt uns trotz der etwas marode wirkenden Stadt auf Anhieb. Wir gönnen uns ein ausgiebiges Mahl in einem von Marcels Restaurantbooten und fallen in unsere Kojen.

Ein paar Kilometer Abenteuer
Am nächsten Morgen starten wir früh. Nach dem riesigen Industriehafen und der „Damen-Werft“ von Galati erblicken wir nach zwei Kurven den Grenzposten von Moldawien. Köpfe mit Ferngläsern erscheinen auf den Wachtürmen. Dann piepst plötzlich eine SMS auf unseren Smartphones: „Willkommen in der Ukraine“, unheimlich…

Vor dem ersten ukrainischen Hafen Reni liegen ein paar in die Jahre gekommene Kriegsschiffe, die Kanonen aufmerksam gen Himmel gerichtet. Bloß schnell weiter… Dann kommt glücklicherweise fast nur noch Natur an den Ufern. Plötzlich Sirenen und Blaulicht hinter uns! Die rumänische Grenzpolizei fordert uns zum Stoppen auf und kommt längsseits. Nur eine kurze Kontrolle der Papiere und weiter geht’s.

Am ukrainischen Ufer steigt eine schwarze Rauchwolke auf, Asche fliegt herum, hoffentlich nur ein Feld, das abgebrannt wird….

Nach fünf Stunden biegen wir in einen Arm des Donaudeltas in Richtung Sulina ab, aufmerksam beobachtet vom nächsten rumänischen Grenzboot. Wir sind wieder raus aus der Grenzregion, aufatmen.

Gastfreundschaft
Eigentlich wollten wir in der Stadt Tulcea, dem Tor zum Donaudelta, stoppen. Doch auch hier finden wir keinen Liegeplatz. Schade, doch unsere Stimmung bessert sich schlagartig, als wir an einer Tankstelle festmachen. Während unsere Kanister gefüllt werden, unterhalten wir uns mit dem Tankwart: „Was, ihr seid die ganze Donau runter gekommen? Dann kann ich euch unmöglich etwas berechnen, der Diesel ist geschenkt!“ Mit viel Winken legen wir ab. Das passiert jetzt häufiger. Von den vielen Ausflugsbooten, die hier Touren durch das Delta machen, wird wild gewunken und gejohlt. Hier mal ein Daumen hoch, da sogar mal Applaus, dort ein paar herübergerufene Brocken Deutsch, was für ein herzlicher Empfang!

Der Nachteil, hier sind verdammt viele Boote unterwegs. Dazu kommen noch Fischer, Taxiboote und Fähren zu den Dörfern im Delta, die keine Straßenverbindung haben. Und alle, wirklich alle geben Vollgas und machen mächtig Welle, das INTI auf ihren letzten Donaukilometern nur so hin und her tanzt. So geht es bis zum Sonnenuntergang, wo wir einen Steg zum Festmachen vor einem Dorf finden.

Nachts haben wir plötzlich Katzenköpfe vor unserem Niedergang, auch sie sind neugierig, wer sich hier in ihr abgelegenes Dorf verirrt hat. Ein kurzer Blick ins Dorf, doch dann zieht es uns auch schon weiter. Nur noch 25 Kilometer trennen uns vom Schwarzen Meer!

Nach zwei Stunden erreichen wir Sulina. Der Capitana kullert eine Freudenträne die Wange runter. Wir haben es geschafft, 2400 aufregende und abwechslungsreiche Donaukilometer liegen hinter uns. Vor uns liegt das Meer!

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Ich gratuliere von ganzem Herzen ❤️
Sooo viele Abenteuer auf einem Fluss, na ja, immerhin der zweitlängste Fluss Europas, da kann man was erleben. Am liebsten würde ich mit Capitan M´s Donaudampfer mal mitfahren ……… mams
Tolle Leistung, gratuliere.