Eine kleine Anmerkung vorweg. Dieser Bericht beginnt vor etwa zwei Monaten, seitdem hat sich die Welt komplett verändert! Sowohl in Seoul als auch in Hanoi war Corona schon ein Thema, auch an den Flughäfen wurden schon diverse Vorkehrungen getroffen, aber es sieht so aus als hätten wir Glück gehabt und wären immer haarscharf vor der Welle der lockdowns hergereist. Momentan ist das Reisen zwischen diesen Ländern natürlich nicht mehr möglich. Wir hocken mehr oder wenig freiwillig auf der Insel Koh Samui in Thailand, wo das Leben noch relativ normal abläuft. Wir werden erstmal bleiben und das Geschehen weiter beobachten. Uns geht es gut, aber wir betrachten mit Erstaunen und Sorge, was um uns herum gerade geschieht. Liebe Leser, lasst es euch gut gehen und vor allem: Bleibt gesund!
Jetzt sind wir nach fast sieben Jahren doch tatsächlich wieder Landratten geworden. Pünktlich zum chinesischen Jahr der Ratte, passenderweise der Metallratte, verabschieden wir uns vom Bootsleben. Eine ganz schöne Umstellung!
Vom schwimmenden Heim, reduziert auf zwei Rucksäcke, in denen, neben den alltäglichen Dingen, auch noch Bootskrams von dem wir uns nicht trennen mögen mit herumgeschleppt werden muss. Unsere Zahnbürsten und T-Shirts drängeln sich zwischen Schwerwetterhosen, einer zerlegten Harpune, Logbüchern und etlichen Souvenirs. Kein schwimmendes Haus und Fahrzeug reist noch mit uns, auf einmal müssen wir uns darüber Gedanken machen wo wir unterkommen und wie wir überhaupt dort hin kommen. Langsam kommen die Erinnerungen hoch an die Zeit, als wir noch als Rucksacktouristen die Welt bereisten. Jetzt werden wir doch etwas wehmütig, sieht man mal von der ständigen Repariererei auf einem alten Boot ab, ist es doch so einfach, mit einem Segelboot zu reisen. Immer seine Matratze, die Kaffeetasse und sein kleines Stück Heimat dabei. Frei dorthin zu fahren wonach einem gerade der Sinn steht, vorausgesetzt natürlich, es gibt einen Wasserzugang und der Wind stimmt.
Jetzt sind wir wieder gebunden an fremde Hotels, Guesthäuser und Lodges, an Straßen, Schienen und Flieger. Müssen wieder an so abstrakten Parallelwelten wie Flughäfen ankommen und nicht mehr mitten im trubeligen Leben eines neuen Hafens. Wie oft wurden wir freundlich von den Fischern und sogar den sonst so strengen Behördlingen in ihrem Land begrüßt. Wurde uns bewundernd auf die Schulter geklopft, dass wir uns trauten mit unserer kleinen INTI bis zu ihnen zu kommen. Jetzt schickt man uns durch den Ganzkörperscanner und hält uns ein Fieberthermometer an den Kopf, denn im Augenblick herrscht an den Flughäfen vor allem eines: Panik vor dem Virus, dem Coronavirus. So ist auch das erste was wir in die Hand gedrückt bekommen eine Gesichtsmaske und Handdesinfektion. Im Flieger kommt man sich vor wie im Katastrophenfilm, alle tragen Masken, die Stewardessen dazu auch noch Handschuhe. Wie bekommt man den Bordfraß denn jetzt durch die Maske? Ah, man darf sie doch kurz abnehmen. Überhaupt war es garnicht so einfach einen Flieger zu finden. Vor dem Virus gab es noch etliche günstige Verbindungen, aber die gingen alle über Hongkong. Das ist den Behörden dann aber doch zu nah an Wuhan und so wurden diese kurzerhand einfach gestrichen.
Wir finden dennoch eine günstige Verbindung, mit einem Billigflieger geht es nach Seoul in Südkorea und dann weiter nach Hanoi in Vietnam. Warum nicht? Da wollten wir schon immer mal hin! Doch wie bekommen wir unser Gepäck in einen Billigflieger und kann man da eigentlich eine Gitarre mit rein nehmen? Solche Probleme haben wir während des Bootslebens ganz vergessen, zähneknirschend schieben wir Kilos hin und her, packen ein und aus und zahlen Extragebühren. Vergessen haben wir auch, mal nach dem Wetter in Seoul zu schauen und so werden wir erstmal schockgefrostet als wir dort aussteigen und uns auf den Weg zu unserer Unterkunft machen. Liegt Südkorea nicht auf der Höhe von Griechenland? Wieso sind hier denn jetzt auf einmal -11 Grad? Es strahlt die Sonne, aber an der Küste ist sogar das Meer gefroren. Na was solls, wir bleiben eh nur eine Nacht und der Nachtwächter vom Hostel drückt uns freundlich eine dicke Daunenjacke in die Hand als wir uns auf die Suche nach einem Bierchen machen um den Schreck zu verdauen.
Nächster Tag, nächste Maskenparade und nächster Billigflieger und da sind wir auch schon in Hanoi. Wie lange hätten wir dafür wohl mit dem Boot gebraucht? Es ist nicht alles schlecht am Landreisen. Nach nichtmal acht Stunden liegen wir schon wieder in der nächsten Hotelkoje. Als wir uns am nächsten Morgen etwas schlaftrunken vor die Tür wagen, fällt uns ein weiterer Punkt auf. Wir waren, zwar mit zwei kleinen Unterbrechungen, über drei Jahre auf Pazifikinseln unterwegs. Wenig Verkehr, gelassene, zuvorkommende Menschen, Autos die stoppen wenn man auch nur andeutet dass man über die Straße möchte, frische Luft, das lauteste Geräusch meist nur das Brechen der Wellen und das Rascheln der Palmen.
Jetzt stehen wir in einer Großstadt und auch noch in einer asiatischen Großstadt. Es dröhnt, hupt, wuselt und wie es wuselt! Überall teilweise haushoch beladene, Motorräder die kreuz und quer über die Straße schießen, dröhnende Busse, Fahrradrikschas, fliegende Händler, Scharen von Menschen, herumirrende Touristen, kläffende Hunde. In der Luft wabert eine Mischung aus Abgas und Müll, aber auch die unzähligen Düfte der diversen Garküchen und Blumenstände. Rauchschwaden ziehen umher von den vielen kleinen Feuerchen, in denen Räucherwerk, falsche Geldscheine und kunstvoll verzierte Papierfiguren verbrannt werden. Es ist Neujahrsfest und da opfert man so einiges dem Feuer. Voller Tatendrang aber auch etwas überfordert von der Hektik die so garnichts mehr mit der Gelassenheit der Südsee zutun hat, stürzen wir uns ins Getümmel.
Wir haben Hunger, großen Hunger! So paradiesisch die Südsee auch war, das Angebot an Essen auf den abgelegenen Inseln war oft ziemlich einseitig, wenig gewürzt und vor allem auch sehr teuer. Hier gibt es eine unglaubliche Vielfalt und alles ist billig. Wir hangeln uns von Garküche zu Garküche und genießen die Küche Südostasiens, die schon immer eine unserer liebsten war.
Wir streunen durch die lauten Straßen und Gassen, halten mal hier für einen Freßstop, trinken mal dort einen Kaffee. Die Franzosen haben ihre Kaffeekultur hierher gebracht und das gefällt uns gut, denn im Vergleich zu den kleinen Pazifikstaaten, in welchen höchstens mal ein Nescafe zu bekommen war, gibt es hier aromatischen, köstlichen Kaffee zu kleinen Preisen. Mal hier eine Pause, mal da, auf unseren touristischen Streunereien durch Hanoi. Wir laufen zum mächtigen Ho-Chi-Minh-Mausoleum, bestaunen die riesige Anlage rundherum, den akkurat gepflegten Rasen, die schönen Blumen und die zackigen Bewegungen der patrouillierenden Soldaten bei der Wachablösung. Wir besichtigen riesige alte Tempelanlagen mit kleinen Bächlein mit Seerosen und Lotosblumen, atmen den schweren Geruch von Millionen brennenden Räucherstäbchen ein und lassen uns oft einfach nur treiben. Schauen hier einem Pfeifenmacher bei der Arbeit zu, aus dickem Bambus schnitzt er künstlerisch eine um die andere Pfeife, in der nächsten Straße sind die Schweißer aktiv, der typische Geruch hängt in der Luft, uns natürlich gut bekannt, anderswo sind die Frauen dabei, wunderschöne Blumendekorationen für bestimmte Anlässe und Tempel herzustellen. Morgens werden am Straßenrand unzählige Knoblauchzehen gepellt, Gemüse geschnippelt und die Brühe für die unverwechselbaren Pho-Suppen köchelt köstlich nach allen Gewürzen Asiens duftend auf dem Feuer. Abends hören wir auf den Straßen die Rufe der Bierverkäufer, oft finden sich Reisende hier zusammen, die Einheimischen machen ein gutes Geschäft, sie kaufen ein großes Bierfass und schenken zu kleinen Preisen Bier aus. So treffen wir mit vielen Reisenden zusammen, hören wieder Stories von Langzeitreisenden über Land und staunen, dass doch noch so viele davon unterwegs sind.
Nun müssen wir mal raus aus der Großstadt, wir machen einen dreitägigen Ausflug nach Nam Coc, hier können wir eine bizarre Welt aus Karstfelsen, umgeben von kleinen malerischen Flüssen bewundern. Doch wir sind es nicht mehr gewohnt, zu angeblich ruhigen Touristenattraktionen zu reisen, uns erschlägt die Masse an Reisenden und die wahnsinnige Infrastruktur mit seinen gepfefferten Preisen. Unsere Familienunterkunft ist ruhig und die Inhaber sehr, sehr freundlich, doch leider müssen wir auch eine Begegnung mit der, vom Massentourismus hervorgerufenen, Raffzahnmentalität machen. Wir unternehmen eine zunächst wirklich schöne Tour durch die Gewässer und Höhlen in der Umgebung. Eine Frau rudert uns, neben hunderten anderen Touristen, hier herum. Am Wendepunkt der Tour will sie uns Bilder verkaufen, die wir noch freundlich ablehnen, wir schleppen ja schon genug Krams, wie schon gesagt, durch die Gegend. Nun fängt sie an zu betteln: A little Tip please. Das ist ein Verhalten, was uns wirklich wütend macht, denn im ziemlich hohen Preis für die Tour war ebenfalls die Bootsführerin inbegriffen. Sicher sitzt da irgendwo ein Boss und kassiert ab, aber in unserem schmalen Budget ist sowas nicht drin. Zähneknirschend verlassen wir das Boot, und im Nachhinein schwingt da ein bitterer Geschmack mit, leider.
Trotzdem schnappen wir uns noch Fahrräder und düsen zu der ein oder anderen Attraktion, erklimmen über zahlreiche Stufen einen Berg, genießen die wunderschöne Aussicht, denn es scheint, nach 10 Tagen, zum ersten Mal die Sonne in Vietnam. Das haben wir auch wirklich gebraucht, in Hanoi mussten wir schon Socken und lange Hosen anziehen und alles war in ein wischi-waschi Grau gehüllt. In unserem Hostel in Hanoi angekommen sind wir froh, wieder hier zu sein. Doch auch in den Gassen wird über Corona gemunkelt, der berühmte Nachtmarkt fällt aus und überall gibt es schrille Masken zu kaufen. Wir erledigen noch die üblichen „hier ist ja alles so günstig“ Einkäufe und bereiten uns auf unseren Flug nach Bangkok vor.
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Leute, super Bericht! Liebe Gruesse aus dem Corona-Lager Norsand, Whangarei, New Zealand.
Cheers. Rainer
Hallo, ihr Landratten,
vielen Dank für euren Bericht, spannend und bunt wie immer. Aber jetzt unter ganz neuen Aspekten… Wir drücken die Daumen, wie ihr das wohl auch für so viele andere tut. Handbreit Wasser braucht ihr fürs erste nicht mehr (vielleicht später, Wünsche lassen sich aufbewaren).
Toi, toi, toi und bleibt gesund.
Rainer und Ingrid, Bremen
Bleibt bloß weg, wenn es geht !!!! Euer Bericht löst richtiges Fernweh aus. Wir wünschen Euch von Herzen, dass Ihr weiterhin auf liebe Menschen trefft, die Euch beherbergen.
Ilse und Gerd – und schön demokratisch bleiben ! (das ist in heutigen Zeiten und hiesigen Umständen gar nicht mehr so leicht zu bewerkstelligen)
Hej Hej ihr Inti‘s,
mit Bestürzung hab ich vom Wechsel von Wasser zu Land gelesen — ganz kann ich es nicht verstehen was euch dazu bewogen hat die stolze, schöne und treue INTI zu verlassen …
aber DANKE für euren wunderbaren, kurzweiligen und immer zum Schmunzeln verleitenden Blog über eure Geschichte und eure Wege über die Meere und zu vielen spannenden Menschen — Danke fürs Teilen und Appetit machen !
Ahoi und weiter eine gute und sichere und in diesen Zeiten auch gesunde Reise
Herzliche Grüße
Jens