Die aufregende Einreise in die EU
Um aus Serbien nach Rumänien und damit wieder in die EU zu kommen, muss von Kladovo aus nur die Uferseite gewechselt werden. Dort gibt es einen Klarierungsanleger. Smutje geht am Land, um in einem Polizeigebäude, an dem schwer der Zahn der Zeit nagt, die Formalitäten zu erledigen. Eine Dame in Uniform kommt heraus, brummelt etwas auf rumänisch, nimmt mit einem „No English“ unsere Papiere und Pässe entgegen, bedeutet Smutje mit Handzeichen zu warten und verschwindet. Draußen ertönt mehrfach ein Schiffhorn. Beim Blick hinaus erblickt Smutje die wild winkenden Capitana. Hinter ihr ein mächtiger Tanker mit noch wilder winkenden Matrosen. Er will dort festmachen, wo wir liegen! Er wird ungeduldiger und hupt nun ununterbrochen! Ein freundlicher Herr von der Hafenbehörde weist uns darauf hin, dass wir den Platz wechseln müssen. Smutje eilt aus dem Gebäude zu INTI, wir legen ab während unsere Papiere und Pässe immernoch über irgendwelche Schreibtische an Land wandern.

Also lädt Smutje Capitana an einem Polizeiboot ab, um die Einklarierungsprozedur zu beenden und unsere Dokumente zu holen. Sie klettert über das Polizeiboot und etliches Angelequipment auf den Polizeiponton, doch das Gittertor zum Land ist verschlossen. In dieser Zeit kurvt Smutje mit INTI herum, um dem Tanker mehr Platz zum Anlegen zu geben. Etwas schwindelig macht er den Bug an einem dicken Stahlseil fest, das von der hohen Spundwand zum Polizeiboot gespannt ist und manövriert das Heck an das Boot, auf welchem Capitana wartet. Als wäre das Spektakel nicht so schon groß genug, stellt sich heraus, die Beamten haben die Schlüssel für das Gittertor zum Ponton verlegt! Doch die Beamten sind entspannt, dann müssen die Formulare eben durch die Gitterstäbe gereicht werden! Capitana muss etliche Formulare zur Einreise in die EU ausfüllen, ein Herr von der Gesundheitsbehörde wirft durch die Gitterstäbe einen Blick auf unseren Gesundheitszustand, Fotos (hinter Gittern!) werden von uns gemacht und mit den Passbildern abgeglichen. So eine Einreise in die EU kann doch ganz schön spannend sein!

Donauwellen sind nicht süß
Es geht weiter, der Wind frischt auf, es bilden sich steile Wellen mit Schaumkronen gespickt. Eigentlich kein Problem für ein Segelboot, doch unser gelegter Mast quietscht und knarzt beunruhigend in seinem Gestell herum. Die Donau will sich nicht beruhigen, der für diese Region berüchtigte Wind Košava braust und pfeift um uns herum. Als uns das Ganze zuviel wird, werfen wir den Anker in einer leicht geschützten Einbuchtung. An Land dürfen wir hier nicht mehr, da das Dorf, vor dem wir liegen, zu Serbien gehört. Nachts regnet es und auch der nächste Tag ist windig, grau und die Donau gespickt mit weißen Schaumkronen. Wir haben alles richtig gemacht. Ein anderes Sportboot aus der Schweiz kommt in der zweiten Nacht dazu, das erste ausländische Boot, das wir seit der Slowakei treffen und auch dort waren es nur wenige.
Weg frei!
Nun steht die letzte Schleuse vor dem Schwarzen Meer vor uns. Morgens entdecken wir einen Schubverband, der in diese Richtung fährt. Na, dann wird die Schleuse sicher bald geöffnet. Auch das andere Sportboot klemmt sich an ihn ran. Über Funk erfahren wir, dass beide Boote hinter dem Schubverband einfahren dürfen. Doch der muss erstmal seine Schuten in die Schleuse bewegen. Es kracht unglaublich, sie scheuern an der Schleusenwand und wir sind schon etwas verzweifelt, ob er da jetzt feststeckt und wir nicht mehr weiterkommen. Doch knirschend und quietschend quält er sich Zentimeter für Zentimeter in die Schleuse und wir machen dahinter fest.

Die Schleusung ist schnell vorbei und nun trennt uns nichts mehr vom Schwarzen Meer. Das ist gut und schlecht. Immer gut keine Schleuse mehr vor sich zu haben, doch nun ist die Donau nicht mehr reguliert und es wird wieder schlagartig flacher!
Einstieg in ein buntes Bulgarien
Es soll nach Vidin auf der bulgarischen Donauseite gehen, das gestaltet sich als aufregend, stellenweise haben wir gerade mal einen halben Meter Wasser oder sogar weniger unter dem Kiel. Gegen Abend erreichen wir das Städtchen. Wieder die Frage, wo wir anlegen können.

Ein ausgedientes Binnenschiff, welches am Ufer liegt, scheint geeignet zu sein. Die Leinen sind fest und schon eilt ein Mann herbei, der uns sagt, dass wir eine Nacht bleiben dürfen, am nächsten Morgen käme ein Kreuzfahrtschiff. Smutje radelt los, um Diesel zu besorgen. Fröhlich kommt er zurück und berichtet, wie freundlich die Menschen zu ihm waren.

Nun kommt auch das Motorboot, welches am Ankerplatz und in der Schleuse war, und legt an. Wir beschließen, gemeinsam Essen zu gehen. In einem großen Restaurant mit vielen Außenplätzen lassen wir uns nieder. Um uns herum wird geschnattert, gelacht und die sehr fleischlastigen Gerichte genossen. Drinnen tobt eine riesige Familienfeier, aufgeputzte Menschen tanzen im großen Saal, Trachtengruppen machen sich bereit für eine Tanzvorstellung. Wir fallen in die Kojen und sind froh, auch mal andere Flussfahrer getroffen zu haben, wir hatten uns vorgestellt, es wären mehr davon unterwegs.
Aufbruch
Am nächsten Morgen gibt es Aufregung. Der Beamte vom Hafenamt ist ein anderer und ziemlich unwirsch, dass sein Kollege uns das Anlegen erlaubt hätte. Auch wir sollen nochmal mit den Schweizern gemeinsam zur Einreisebehörde. Das ist kein Problem, ein Blick in unsere Unterlagen genügt, wir sind ja schon in die EU eingereist. Doch wir sollen schnell verschwinden, aber unser Wasservorrat nähert sich dem Ende und auf dem Schiff, an dem wir festgemacht haben, gibt es nur einen Feuerwehrschlauch mit riesigem Durchmesser. Was tun? Smutje radelt noch schnell einkaufen, Capitana geht zur Behörde, mal wegen Trinkwassers auf die Tränendrüse drücken. Der vorher unwirsche Beamte ist etwas ruhiger und weist ihr den Weg ins Hafengebäude. Dort gibt es einen Schlauch zu einem Wasserhahn mit Trinkwasser. Überall im Gebäude stehen Schnapsflaschen herum, daneben dösen Beamte in Uniform in alten Sesseln. Draußen wird ein Kreuzfahrtschiff mit Lebensmitteln bestückt, auf einem Förderband wandern Lebensmittel aus Deutschland in den Bauch des Schiffes. Der dazugehörige LKW-Fahrer bastelt Capitana einen Gepäckträger für den Wasserkanister, schenkt ihr stabile Gurtbänder und so radelt sie hin und her, bis der Tank voll ist.
Smutje kommt mit einem leckeren Einkauf zurück. Ein schnelles Frühstück, der Hafenbeamte nähert sich und macht uns verständlich, dass das andere Schiff bald kommt und wir uns verlegen müssen. Doch wohin?
Wer uns sucht – wir sind in der Walachei
Wieder mal fällt der Entschluss, dieses Städtchen nicht zu erkunden und stattdessen weiter durch die Walachei zu fahren. Wir wussten es vorher auch nicht, aber diesen Landstrich gibt es wirklich. Und er ist sehr hübsch! Bäume säumen die Ufer, saftig grüne Natur, die Donau wechselt ihre Farbe zu einem weniger schlammigen Farbton, sie wird etwas klarer.

Das Wasser bleibt flach, auf unserer Seekarte erscheinen immer mehr sogenannte „bottlenecks“. Das sind ganz enge Fahrwasser, die sehr flach sind. Vorsichtig navigieren wir uns durch diese Engstellen, spannend wird es immer, wenn uns ein Schubverband entgegenkommt, denn die werden immer größer in diesem Donauabschnitt.

Teilweise zählen wir zwölf Schuten, die durch den Fluss geschoben werden! Doch es passt jedes Mal und manche Kapitäne blasen sogar fröhlich ins Horn und winken aus ihrem Führererstand hinaus.

Gegen Abend suchen wir einen Ankerplatz und weiter geht es am nächsten Tag, wieder schlängelt INTI sich durch bottlenecks, kleine und große Sandbänke und viele Inseln werden durchschifft. Das erste Mal erblicken wir auch Pelikane, die sich auf den weißen Sandbänken niedergelassen haben.

Kurze Enttäuschung
Wir machen Tempo, wir wollen nach Ruse an der bulgarischen Seite der Donau, viel hatten wir über den Ort gelesen, an dem sich zwei kleine Yachthäfen auch für Boote unserer Größe und Tiefgang befinden sollen. Unsere Ankunft dort wird von schwarzen Wolken begleitet. Wir hatten vorab mit einem Clubmitglied einer der Marinas telefoniert, das uns sagte, der Hafen läge trocken. Am Himmel braut sich ein Gewitter zusammen. Vorsichtig versuchen wir trotzdem, in den kleinen Hafen zu fahren. Die Wassertiefe sinkt. Dann wird es wohl stimmen, dass der Hafen fast trockenliegt. Frustriert machen wir an einem brüchigen Ponton der Hafenbehörde vor der Marinaeinfahrt fest, gleich schon eilt eine Dame herbei, die uns die Rechnung für eine Nacht präsentiert. Die ist zwar ok, aber hier? Wir liegen auf dem Präsentierteller, über uns ist die Promenade und es gibt nichts, kein Trinkwasser, keine Dusche. Smutje ist sichtlich frustriert. Beide hatten wir gedacht, in Ruse etwas mehr Wassersportler zu treffen. Auch sollte es hier die Möglichkeit geben, organisiert von einem der beiden Yachtclubs, den Mast zu stellen. Geknickt sitzen wir im Cockpit, die schwarzen Wolken ziehen näher, Blitze sind am Horizont zu sehen.
Große Freude
Da kommt ein freundlich lächelnder Mann zu unserem Boot. Er fragt uns, warum wir hier und nicht in seiner Marina seien. Zu flach für INTI erwidern wir. Nein, das stimme nicht, es gäbe einen Platz, der tief genug sei. Er nimmt spontan Smutje mit, um ihm die Marina und den Platz zu zeigen. Nach einer Weile kommt Smutje freudestrahlend zurück: „Das ist mein Held! Er hat uns gerettet, es gibt einen Platz und wir kommen wohl doch da rein.“ Wir entscheiden uns, den anderen, zwar schon bezahlten, aber nicht so attraktiven Platz sofort zu verlassen und in den Hafen zu fahren. Alles passt, kaum festgemacht, preschen mächtige Gewitterböen über die Donau, weiße Schaumkämme bilden sich auf den Donauwellen, die Sicht wird immer schlechter. Wir liegen gut geschützt und sind heilfroh, den Platz gewechselt zu haben, am anderen lägen wir am Ufer der Donau und da sieht es sehr wild aus.

Entspannen und genießen
Ruse gefällt uns außerordentlich gut. Es ist aber auch die Gewissheit darüber, dass wir nicht am nächsten Morgen wieder den Platz verlassen müssen, sondern einfach selbst entscheiden können. Außerdem gibt es seit langem mal wieder eine Dusche und sogar eine Waschmaschine. Glücklich erkunden wir die Stadt, lassen uns hier auf Kaffee und Kuchen nieder, da auf einen Aperitif und gehen gut und günstig essen.

Ruse wird auch Klein-Wien genannt und es gibt auch noch einige stuckverzierte hübsche Häuser hier und da, dazwischen Fußgängerzonen und die sind sehr belebt! Menschen schlendern herum, ein fröhliches Treiben herrscht in dieser Stadt, die auch eine Uni beherbergt.

INTI wird wieder ein Segelboot
Jetzt wird es spannend, unser Freund vom Hafen kann tatsächlich organisieren, dass der Mast gestellt wird. Knapp zwei Tage haben wir Zeit, alles vorzubereiten. Wanten und Stagen hatten wir schon angebracht, doch es müssen am Masttopp ein Windanzeiger, Lichter, der Verklicker und die Funkantenne installiert werden. Zudem muss alles so sortiert werden, dass es beim Aufstellen kein Leinen-, Wanten- und Stagenkuddelmuddel gibt. Am nächsten Tag ist es soweit: INTI wird wieder zum Segelboot! Unser Retter und Organisator des Ganzen, Boyko, kommt mit an Bord und gemeinsam fahren wir weiter in den Industriehafen hinein.

Am Rand stehen viele alte Kräne, wie stählerne Seepferdchen oder Giraffen sehen sie aus. Unter einem solchen alten, riesigen Kran machen wir an einem Frachter und mit einer Landleine fest. Nun müssen wir warten. Es ist heiß. Nach einer halben Stunde ist es soweit. Der Haken des Krans schwingt vom hohen Ufer aus hinunter. Wir hängen eine Schlinge hinein, an welcher der Mast befestigt ist. Mit einem Ruck hebt sich der Mast aus seinen Stützen. Die eine Seite hängt fast im Wasser, doch bedächtig zieht der Kran ihn weiter hoch, bis er im Fuß sitzt.


Nun muss er noch befestigt werden. Gemeinsam mit Boyko machen wir Wanten und Stagen soweit fest, dass er stabil sitzt. Alles hat eine halbe Stunde gedauert. Überglücklich fahren wir zurück an unseren Platz im Hafen, froh darüber, dass INTI jetzt wieder ein echtes Segelboot ist, mit Mast in aufrechter Position!

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Spannend auf diese Weise ein so exotisches Segelrevier kennen zu lernen.
Gewaltig was Ihr unternehmt. Ich bin froh, dass ich Euch durch den Vortrag in Hallwang kennen gelernt habe. Die Erzählung Eurer spanenden und schönen Geschichten ermöglicht es „Landratten“ diese Erlebnisse etwas mitzuerleben. Da kriegt man einfach Sehnsucht nach Reisen und (Euer hoffentlich bald erscheinendes neues Buch) zu lesen. Weiterhin gute Fahrt und eine gute Brise Wind!
Alles Gute
Horst