“i want a piece of pork, want a piece of pork, i want a piece of pork for me christmas” Weihnachtssong aus Trinidad
Es weihnachtet sehr und das fühlt sich echt schräg an in der Karibik. Auch hier werden langsam die Häuser mit bunten Lichtern geschmückt und hier und da findet sich mal ein Weihnachtsbaum oder ein Weihnachtsmann. Aber was macht dieser Kerl mit Rauschebart und voller Wintermontur bei tropischer Hitze mitten in der Sonne und wozu braucht der eigentlich einen Schlitten in einem Land, das noch nie Schnee gesehen hat? Wir kommen immer wieder ins Schmunzeln und Smutje ist heilfroh, dass ihn noch keiner angesprochen hat, dieses Jahr wieder den Weihnachtsmann für die Bootskids zu spielen. Das war ein Heidenspass letztes Jahr auf den Kanaren, aber bei dem Klima hier würde er sich in dem Kostüm vermutlich selbst auflösen noch bevor er das erste Geschenk überreichen konnte. Vielleicht gibt es ja Weihnachtsmannbadehosen, aber das würde sicher einiges an Verwirrung bei den Kids stiften, die ihn letztes Jahr schon Löcher in den Bauch fragten, zum Beispiel warum er Barfuss sei und keine Stiefel anhabe und wieso er eigentlich mit einem Dingi und nicht mit einem Schlitten gekommen sei. Aber lassen wir das, bisher hat noch keiner gefragt, auch wenn wir zur Abwechslung mal wieder umgeben sind von Booten mit Familien. Als wir in die Bucht von Charlotteville einliefen gab es ein grosses Hallo, denn die „Familienboote“ waren alle alte Bekannte. Da ist die „Chintouna“ mit Breece, Sonia und ihren beiden Kindern und die “Madeo”, die wir auch in Brasilien kennengelernt haben und die „Theolonios“ mit David, Vanessa und ihren lustigen kleinen Zwillingen, die wir noch von den Kapverden kennen. Als wir in die Bucht einliefen kamen uns noch zwei bekannte holländische Boote entgegen und eine Bucht vorher trafen wir die „Blue Felix“, mit deren Crew wir viel Zeit in Französisch-Guyana verbracht haben. Klein ist doch die Seglerwelt.
Aber noch ein paar Worte zu Weihnachten, wir haben ja schon Weihnachten in wärmeren Gebieten verbracht und sind eigentlich auch nicht so wirkliche Weihnachtsfans, aber hier hat das Ganze doch eine ziemlich einzigartige, mitreissende Stimmung. Die drückt sich vor allem, wie sollte es auch anders sein in dem Land in dem die Steeldrum und der Soca erfunden wurde, über Musik aus. Aus den gewaltigen Soundsystems und Mega-Autoanlagen dröhnen jetzt nicht mehr nur die gewohnten Soca– und Reggaehits, nein jetzt sind Weihnachtslieder angesagt! Trinidad und Tobago Weihnachtslieder wohlgemerkt, die mit dem gewohnten Glockengerassel und besinnlichem Gesang von zuhause nicht viel am Hut haben. Die Texte sind stellenweise die alten, aber darüber trällern die Steeldrums und Mandolinen, darunter liegen Soca- und Reggaebeats und die oft mit allen erdenklichen Effekten verdrehten Gesänge sprühen vor Lebensfreude. Richtig verrückt wird’s, wenn der indische Bevölkerungsteil die Regler in die Hand nimmt. Dann gibts auf einmal Hindipop mit Steeldrums und Weihnachtsmelodien, gesungen von quietschenden Bollywoodstimmen. Und die Musik ist überall und allgegenwärtig. Als wir uns neulich in einem Sammeltaxi voller älterer Damen über die Serpentinen von Tobago schlängelten, lief auch hier die Anlage auf Volldampf, begleitet von den Damen, die versonnen und voller Vorfreude mitsummten. Das lauteste Soundsystem hat natürlich die Rumbude an der Ecke, in der sich die Fischer abends zusammen mit den Dorfältesten, Rastas, Karibikschönheiten und Big Mamas ihren Absacker genehmigen. Auch hier wird kräftig mitgewippt. Wir denken an Zuhause und stellen uns den Späti (Berliner Kiosk) an der Ecke vor, in dem die Profitrinker zusammen mit den Hausbesetzern, Punks, dem Gemüsevietnamesen, dem Dönerverkäufer, dem rausgeputzten Hipster und der Prenzelberger Jungfamile freudig ein Schultheiß schwingen und „Oh du fröhliche“ grölen. Das wär doch mal was! Natürlich gibt es auch hier Weihnachtsfeiern in den Schulen und Kindergärten und in Charlotteville heisst das, dass sich rausgeputzt wird. Das Haar wird geölt und mit bunten Perlen verziert, der feinste Zwirn und die buntesten Tüllkleider werden ausgepackt und stolz in den Gassen präsentiert. Ohne geht es nicht. Vanessa, die ihre Zwillinge im lokalen Kindergarten untergebracht hat, wurde neulich von der Kindergärtnerin unter den Arm geklemmt und extra die zwei Stunden über die Berge in die Hauptstadt gefahren. Bald ist Weihnachtsfeier im Kindergarten und die Kinder brauchen gefälligst Perlen für die Haare und die Mama was Anständiges zum anziehen!
Doch eigentlich ist Weihnachten ziemlich weit weg zwischen Palmen, Dschungel, Korallenriffen und Traumstränden. Und Tobago ist voll von diesen Naturschönheiten. Eine wahre Perle, in die wir uns schwer verliebt haben!
Unser erster Stop, die Storebay, war schon schön mit seinem weissen Palmenstrand und dem vorgelagerten Buccooriff. Auch wenn der Massentourismus schon seine ersten Geschwüre in die Landschaft gefressen hat, ist die Natur immernoch beeindruckend. Als wir uns dann allerdings Bucht für Bucht langsam nach Norden vorarbeiteten wurde es immer paradiesischer.
In der Storebay nahmen wir auch unseren Besucher Jan in Empfang. Zum Flughafen ist es nur ein fünfminütiger Spaziergang, dann mit Sack und Pack ins Dingi und Willkommen an Bord. Mit lauter Leckereien im Gepäck bestieg Jan unser schwankendes Zuhause. Wir waren happy über Besuch und Pesto, Parmesan, vegetarische Pasten, Haribo, Trockenhefe, Salami und Käse. Milchprodukte gibt es hier so gut wie garnicht. Und ein neu-gebrauchter Autopilot kam auch aus Deutschland mit. Grosse Freude! Weniger grosse Freude bereitete uns allerdings das Wetter. Noch nie zuvor hatten wir so ausgiebigen Regen. Das kann mitunter sehr erfrischend sein, nur auf Dauer bekommt man nichts mehr trocken, alles ist leicht klamm. Aber eigentlich gibt es hier in der Karibik garkeinen Regen, die locals sagen `liquid sun` dazu, das gefällt uns natürlich sehr. Deshalb lassen wir uns die Freude auch nicht nehmen und hängen, sobald sich die Gelegenheit gibt, die Angel ins Wasser und schwuppdiwupp beissen die Fische an, Red Snapper und andere, unglaublich leckere Fische.
Langsam hangeln wir uns hoch in den Norden, von Bucht zu Bucht. Traumhaft schöne Strände, einsam, oder, wie Castara, kleine Fischerdörfer, in denen wir immer herzlich empfangen werden. In Castara unternehmen wir eine kleine Wanderung in den Regenwald hinein und landen in kürzester Zeit bei einem wunderschönen Wasserfall. Schnell raus aus den Klamotten und rein ins frische Nass, eine Wasserfallmassage und schnell zurück, bevor die Moskitos uns zerfressen. Entgegen kommt uns ein Junge mit Duschgel und Handtuch und wir stellen fest, dass der Wasserfall auch die Dusche vom lokalen Fussballverein ist. Gleich hinterm Platz gehts runter zum Fluss, nicht schlecht. Wir staunen über die vielen Kakaobäume, die den Weg säumen, Kolibris schwirren durch die Luft und grüne Papageien krächzen über uns. Mit Jan leihen wir uns auch ein Auto aus und kurven über die Insel. Wir machen Halt bei einem anderen Wasserfall, ein wenig durch den Regenwald laufen und schon ist man da. Drei Kaskaden ergiessen sich über mehrere Plateaus in ein Becken. Später wandern wir noch ein Stück in den Dschungel hinein. Riesiger Bambus umgibt uns, knarzt leicht im Wind, Lianen hängen von den meterhohen Bäumen, so dass der Tarzan/Jane Trieb erwacht und Smutje und Capitana über die tiefen Schluchten schwingen, nicht ohne eine gehörige Portion Herzrasen dabei, was, wenn das doch reisst?? Es passiert nichts, doch nachdem wir eine Weile gewandert sind macht sich dann die Frage breit, müssen wir den gleichen Weg wieder zurück, es wird bald dunkel und ist total matschig, haben wir eine Taschenlampe….? Doch Jan ist cool und hat ein GPS dabei. So landen wir dann nach einiger Zeit wieder bei der Strasse. Doch zum Auto ist es ein ganzes Stück zu laufen. Also winken wir und schon das erste Auto hält und nimmt uns mit zu unserem Auto. Frisch geduscht wollte das Pärchen Freunde besuchen, jetzt sitzen da drei durchgeschwitzte, stinkende Europäer, zwei gar in verschlammten Gummistiefeln, mit drin. Egal, Fenster runtergekurbelt und keine Miene verzogen.
Auch unter Wasser ist einiges los. Smutje und Jan machen einen Ausflug mit den Tauchern von Speyside. Auch hier ist man schwer relaxt. Hä, PADI Ausweise und Neoprenanzug? Relax man, Badehose reicht! Flasche auf den Rücken und ab gehts auf 20m Tiefe. Die Beiden staunen nicht schlecht, als sie in der seichten Strömung an den bunten Korallengärten vorbeischweben und zum Abschluss die angeblich weltweit zweitgrösste Hirnkoralle umkreisen. Eine gewaltige Korallenkugel mit mehreren Metern Durchmesser!
Aber für das Unterwasserkino muss man nicht unbedingt runter auf 20 Meter. Morgens schnappen wir uns Taucherbrille und Flossen und schauen, was unter Wasser so los ist. Hier in Charlotteville ist besonderes Kino angesagt. Nicht nur, dass Schildkröten um unser Boot herumschwimmen, neulich bei einem Dingiausflug zum Riff konnten wir unseren Augen kaum trauen. Wir bewunderten gerade die blauen, gestreiften und gelben Riffische, als neben uns ein grauer Schatten auftauchte. Wir richteten unseren Blick auf und majestätisch glitt ein Mantarochen über uns hinweg, langsam und sehr geschmeidig. Und auch hier braucht man nur mal kurz die Angel ins Wasser schmeissen, und schon hängt eine Leckerei daran. Mittlerweile essen wir den Fisch roh, machen ein Ceviche mit viel Limettensaft, in dem der Fisch gar wird. Zwiebeln dazu und Chili und fertig ist eine leckere Vorspeise. Auch unseren Gästen von den anderen Booten schmeckt es. Gesellschaftlich sind wir voll eingespannt. Neulich wurde uns eine Einladung zu einer Filmpremiere überreicht, die beiden 11-jährigen französischen Mädchen hatten einen Film hergestellt und bearbeitet. Also alle rauf auf das grösste Boot in der Bucht, in feinen Zwirn geworfen und mit Speis und Trank bewaffnet. Capitana bastelt noch schnell ein paar goldene Palmen von Charlotteville (oder Cannes), die sich die Filmemacherinnen schüchtern aber stolz an ihre schicken Kleider heften. Am Strand landen wir schon an unserem zweiten Abend beim Barbecue, wir unter vielen, vielen Franzosen, nur ein anderes Boot ist dabei aus Südafrika und ein Einhandsegler aus England. Es wird Boule gespielt, viel gelacht und Seemannsgarn ausgetauscht. Ein wunderbarer Strand mit einem Süsswasserfluss, in dem die vielen Kinder fröhlich planschen.
Wenn mal nichts am Haken hängt ist das auch nicht schlimm, denn im Dorf verkaufen die Fischer ihren frischen Fang oder kommen direkt am Boot vorbei. Die kleinen Fischerboote bringen Thunfisch, Wahoo, Golddorade oder auch mal einen kleinen Hai direkt nach dem Fang zu der kleinen Fischerkooperative am Strand. Dort fliegen nur so die Schuppen und Flossen! Der Fisch wird direkt gesäubert, ausgenommen und in handliche Filets zerhackt. Drumherum warten die Käufer, dass ihre mitgebrachten Plastiktüten gefüllt werden. Es wird gescherzt und geplaudert und gibt es grade mal keinen Fisch, wartet man einfach bis das nächste Fischerboot an den Strand düst und weiter gehts. Auch wir stellen uns regelmässig dazu. So leckeren Fisch haben wir selten zuvor gegessen und frischer geht es wohl kaum! Ansonsten geht alles seinen entspannten tobagischen Gang. Smutje hilft immer mal wieder dem ein- oder anderen Fischer dabei, sein Boot an Land zu ziehen oder repariert den kleinen Jungs ihre selbstgemachten, verhedderten Drachen. Hier und da ein wenig plaudern oder mal ein Bierchen mit den Fischern von denen zwei schon mal eine Zeit in Berlin gelebt haben. Wir lernen Lucille kennen, die lange in Kanada gelebt hat und hier eine „Organic-Farm“ betreibt, sie verkauft ihr angebautes Obst und Gemüse, das ist noch nicht so viel, da sie erst seit zwei Jahren anbaut, aber meistens gut. Auch macht sie uns mit verschiedenen Pflanzen vertraut, aus deren Blättern man leckere Tees brauen kann. Viel zu kaufen gibt es nicht im Norden der Insel. Selbstversorgen und improvisieren ist angesagt. Jan zeigt Capitana eine einfache Methode, Brot zu backen, Mehl gibt es hier überall und Marmelade auch. Smutje lernt derweil fleissig von den Einheimischen, was man so mit Yuca und Taro anfangen kann, denn das gibts irgendwie immer.
Doch so langsam läuft auch unsere Zeit in Tobago ab und wir fangen an, das Wetter für unser nächste Passage Richtung Grenadinen zu checken. Tobago du bist eine Perle und wirst uns sicher als eines der Highlights unser Reise in Erinnerung bleiben, wir sind gespannt auf die nächsten Inseln der Karibik!
Liebe Intis,
bei pladderndem Regen und Temperaturen um den Nullpunkt freuen wir uns über euern langen Bericht.
Dankeschön. Wenns hilft: Hier sieht es gar nicht nach Weihnachten aus, es gibt wohl wieder das übliche Schmuddelwetter. Da wird es einem mit euren Bildern doch ganz warm ums Herz, Wahnsinnsfarben! Wir drücken außerdem die Daumen, dass der Wassermacher und der Autopilot keine Spielverderber sind.
Eure Fischgerichte sind bestimmt ganz lecker. Wir verraten euch aber hier, was wir gestern mit einigen Leuten am großen Tisch aufgedeckt hatten: Braunen Kohl mit Pinkeln, Kassler und Kochwurst, dazu mittelscharfen Löwensenf. Den gekochten gestreiften Speck haben wir weggelassen. Salzkartoffeln, Bier und Wein nach Belieben.
Eine gute Zeit und schon vorweg ein ebensolches neues Jahr wünschen euch
Rainer & Ingrid
Bremen
Na, dann wünsche ich euch guten Wind zu den ” Inseln über dem Winde” –
hier Bremer Schietwetter:
Himmel Grau in Grau, Wind und Nieselregen.
Wenigstens erstrahlt die Stadt im Licht: glanzvolle Illuminationen in den Einkaufspassagen, überall Lichterketten und andere Leuchtobjekte versuchen den dunklen Trübsinn zu verscheuchen.
Auf dem Weihnachtsmarkt tummeln sich am Tage Familien mit Kleinkindern, die sich meist mit gar nicht glücklichen Gesichtern auf geschmückten Pferdchen, bemalten Elefanten, grimmigen Tigern und anderen hölzernen Exemplaren der Tierwelt im Kreise drehen.
Und abends, wenn der Arbeitstag zuende geht,
werden in glühweinseliger Stimmung Trinksprüche und Weihnachtslieder gegröhlt- tja, etwas anders als bei euch!
love mams
Bin gerade über den Artikel im Segeln Magazin auf Euren Blog gestoßen und möchte ein Lob für die tollen, interessanten Geschichten aussprechen.
Weihnachten in der Karibik nehme ich mal als Inspiration für dieses Jahr mit. Klingt super! Nur nicht mit dem eigenen Kahn, der steht im Winter hoch und trocken. 🙂
Wobei es hier in Hamburg auch lauwarm war am letzten Heiligabend. Habe heute gerade meinen Krantermin erhalten und bei mir beginnt jetzt in Kürze die heiße Phase der Winterarbeiten.
Wünsche weiterhin eine wunderbare Reise und freue mich auf Neuigkeiten.
Stefan