Wild wird die INTI hin- und hergeworfen, die Wellen scheinen von überall zu kommen, Regenböen peitschen über sie hinweg und wir schiessen unter Minimalbesegelung durch die rabenschwarze Nacht. Wieder einmal ist der Stille Ozean ganz und garnicht still, die Realität ganz anders als die Wetterprognosen. Das Verrückte ist, dass wir eigentlich schon einen Tag eher los sind, aber da war viel weniger Wind als angesagt. Nach zwei Stunden Motorfahrt sind wir links rangefahren und haben den Anker über Nacht in der wunderschönen Cook-Bay von Moorea geworfen. Eine gute Entscheidung! Wir fielen in einen tiefen, wunderbaren und ziemlich langen Schlaf und stellten am nächsten Morgen verwundert fest, dass der ganze Organisations- und Reparaturstress der letzten Wochen auf Tahiti wohl irgendwie seine Spuren hinterlassen hatte. Am nächsten Tag sieht es gut aus und wir fahren weiter, aber dann haben wir auf einmal doppelt so viel Wind wie vorhergesagt, es ist zum piepen! Zugegeben, Smutje hat so etwas schon vorhergesehen als er neben den Gribs die Grosswetterlage begutachtete. Wir wollten aber einfach weiter und schliesslich sind wir ja auch keine Süsswasserpiraten, har-har!
Pünktlich zum Morgengrauen sichten wir ziemlich müde und grün um die Nase die bizarre Bergformation von Huahine. Wir brettern mit Wind im Rücken durch den Pass in die Lagune und werden erwartet von einem unglaublichen Türkis, ruhigem Wasser und sattgrünen Bergen im Hintergrund. Die Topographie der Gesellschaftsinseln ist aussergewöhnlich. Meist bestehen sie aus einer bergigen dicht bewachsenen Insel, umgeben von einem schützenden Korallenriff mit kleineren Palmeninseln (Motus). Zwischen Riff und Hauptinsel befindet sich ein Streifen Wasser, die Lagune. Das Aussenriff hält die Ozeanbrecher draussen und innerhalb der Lagune ist es wunderbar geschützt. Perfekte Bedingungen, den Anker zu werfen! Wir parken INTI zwischen Huahine-Iti (dem kleinen Huahine) und einem Palmenmotu und ruhen uns erstmal aus. Leider will das Wetter nicht besser werden, es herrschen heimatliche Nordseebedingungen mit viel Wind und Regen. Na ja, etwas wärmer ist es schon und trotz grauen Himmels schillern die Farben des Wassers in allen Blautönen. Wir nehmen es gelassen, plantschen im angenehm warmen Wasser oder verkriechen uns in INTIs Bauch, lesen, überarbeiten unsere Webseite und machen kleinere Reparaturen. Nach ein paar Tagen fällt uns aber doch die Decke auf den Kopf und wir beschliessen Huahine-Iti zu erkunden. An Land erwarten uns freundlich grüssende Einheimische und eine unglaublich fruchtbare Natur. Überall prall gefüllte Mango- und Papayabäume, Bananenstauden, Melonenfelder und etliche Nonibüsche. Die Nonifrucht gilt ja als eine Art Wundermittel gegen allerlei Krankheiten und ist mittlerweile in Saft- und Pillenform auch in Deutschland für viel Geld zu haben. Die reife Frucht stinkt unglaublich nach altem Käse und wirkt erstmal nicht unbedingt appetitanregend. Fermentiert man die Frucht allerdings für ein paar Wochen in einem geschlossenen Behälter entsteht ein geniessbarer saurer Saft. Wir starten das Experiment, mal sehen. Noni kann man ja angeblich für und gegen alles Mögliche anwenden. Capitana hat zuvor schon mal erfolgreich ein wenig geschenktes Noniextrakt auf einen ziemlich nervenden Wespenstich geschmiert und siehe da, er wurde besser.
Ein Woche später zeigt sich dann auch wieder die Sonne und wir kämpfen die INTI durch die immernoch ziemlich aufgewühlte See zum Hauptort Fare im grossen Huahine (Hauhine Nui). Wie auch Tahiti besteht Huahine aus einer grossen (Nui) und einer kleinen (Iti) Halbinsel, die miteinander verbunden sind. Auch hier ist der Nui-Teil der geschäftigere. Uns erwarten ein Kreuzfahrtschiff, viele Charteryachten und, das erste Mal in Polynesien, recht viele Touristen. Die Einheimischen nehmens gelassen, gehen ihren Geschäften auf dem täglichen Gemüsemarkt nach, untermalt von den Sängern, Ukulelen- und Gitarrenspielern, die sich hier täglich zusammenfinden. Jugendliche ziehen mit ihren Surfboards vorbei und begleiten das Ganze mit ihren kleinen Soundsystems, aus denen der crazy polynesische Elektrosound dröhnt. Dieser Sound verfolgt uns schon seit der Osterinsel und ist extrem schräg. Neben einigen Eigenkompositionen werden einfach aktuelle Hits mit Reggae- und Elektrosounds zusammengemixt und fertig ist der neue Song. Dralle Mamas mit Blumenkränzen im Haar und dicke tätowierte Pappis watscheln mit einer Tüte voll Baguette durch die Strasse. Hier und da eine Schönheit mit Blume im Haar und ein muskelbepackter Kanut. Aus einer Garküche dampft das Aroma von Steak mit Fritten. An der der Ecke lungern ein paar beschlipste Freikirchler herum und versuchen, neue Schäfchen einzufangen. Um die Ecke düst ein Schulbus mit kreischenden und kichernden Kindern. Ein Fischer mit ziemlicher Schlagseite von irgendeinem lokalen Gesöff lallt uns ein „Iorana“ entgegen. Ein paar Chinesen wachen mit Adleraugen, dass die Angestellten auch ja fleissig ihre Waren verkaufen. Ein typisches Bild in Französisch-Polynesien, zwar schon etwas westlich beeinflusst aber fern von Stress, irgendwie zufrieden und durch nichts aus der Ruhe zu bringen.
Uns steht immernoch der Sinn nach Ausruhen und wir verlegen die INTI erstmal ans südliche Ende der Insel. Gut geschützt tuckern wir hinter dem Aussenriff die Insel entlang. Vorbei an Palmenstränden und saftiger Natur. Nach ein paar Tagen Schnorcheln und Seele baumeln hinterm Riff kehren wir aber wieder zurück, denn Huahine hat auch archäologisch Einiges zu bieten. Hier gibt es die grösste Konzentration von Marae (traditionelle Kultstätten) der Gesellschaftsinseln. Wir leihen uns Fahrräder und los gehts. Die Marae, meist rechteckige mit Steinen und Korallen gepflasterte Plattformen mit einer Art Altar am Ende, sind überall auf der Insel zu finden, ein kleines Museum erklärt die Geschichte. Den alten Fischer Smutje begeistern hier vor allem die antiken Angelhaken, die kunstvoll aus Muscheln geschnitzt wurden. Weiter geht es zu den zwar antiken, aber immer noch genutzten Fischfallen. In die Lagune wurden einfach trichterförmige Mauern gesetzt, die wie eine Art Riesenreuse die Fische in die Falle locken. Die Sonne brennt uns mittlerweile heftig auf den Dötz, aber nach einer Mittagspause am Strand schnaufen wir tapfer weiter. Ein paar Kilometer weiter erwartet uns die nächste Sehenswürdigkeit. Aus einem Flussbett starren uns etliche, ziemlich große, blauäugige Aale an. Nun ja, richtig starren können die nicht, denn sie sind eigentlich blind, und heilig sollen sie auch sein. Wir kämpfen uns keuchend und schwitzend zum Belvedere, dem Aussichtspunkt der Insel hoch und sausen erleichtert und mit Affenzahn wieder zurück ins Tal. Ein schöner Ausflug!
In Fare wird es derweil immer voller und voller, immer mehr Jachten und Fischer parken ihre Boote in der Bucht. An Land werden Fahnen und Stände installiert, es herrscht geschäftiges Treiben. Was ist da los? Es ist Hawaiki Nui Va’a, das grösste Kanurennen Polynesiens, ein Megaevent und wo startet er? Genau hier! Von Huahine geht es ca. 40 Kilometer über den offenen Ozean nach Raiatea, dann weiter über Tahaa zum Ziel Bora-Bora. Ein ziemlicher Trubel und wir liegen mitten drin. Frachtschiffe kommen und bringen Kanus, diese werden gewogen, mit Sponsorenlogos beklebt, geweiht und peinlichst genau von ihren Ruderern inspiziert. Fernsehteams, Schaulustige und Musiker bevölkern das Dorf. Es findet ein Fischwettbewerb statt, in dem etliche gewaltige Schwertfische, Mahi-Mahi und Wahoo ihr Ende finden. Nach ein paar Tagen fällt morgens um 7:30 Uhr der Startschuss und die Kanus schiessen, begleitet von etlichen Fischerbooten und Jachten, durch das Riff ins offene Meer. Wir haben die INTI vor ein paar Tagen ahnungslos an einer kostenlosen Moorig festgemacht und stellen fest, dass wir nun sozusagen in der ersten Reihe liegen, umgeben von den freundlich winkenden und johlenden Fans! Wir geniessen das Spektakel, das, sobald die Kanus aus dem Riff sind, genauso schnell verschwindet wie es gekommen ist. Am Nachmittag machen auch wir uns auf den Weg. Diesmal zeigt der Pazifik seine friedliche Seite, gezogen von der schönen bunten Blase unseres Blisters schiessen wir über die sanfte, tiefblaue See Richtung Vanilleinsel Tahaa.
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