Blut, Blut, überall Blut.
Nach einer Woche im schönen Funafuti in Tuvalu verlassen wir Polynesien und brechen auf nach Mikronesien. Es geht 700 Seemeilen nach Norden Richtung Tarawa, welches zu den Inseln der Gilbert-Gruppe von Kiribati gehört. Dieser Törn lässt uns etwas zittern, denn wir werden den Äquator überqueren und das kann mal wieder Flaute bedeuten, Hitze, Gewitter und ab und an starke Böen. Doch es kommt anders. Wir verlassen Tuvalu am Nachmittag und werden nachts von etlichen Gewittern verabschiedet. Doch dann beruhigt sich das Wetter und wir können ununterbrochen segeln. Mit gemütlichen Wellen und relativ konstantem Wind geht es dahin, nicht besonders schnell aber immer weiter. Herrlich! Ganz entgegen unserer Erwartungen und Befürchtungen. Nur Fisch will nicht beissen und der Menüplan schrumpft langsam aber sicher. Delfine kommen wieder und wieder, begleiten unser Boot sogar einmal eine ganze Nacht. Seevögel sind hier auch unterwegs, kreischend umkreisen zwei riesige Exemplare unser Boot und lassen sich direkt auf der Mastspitze auf unserer Windanzeige nieder. Wir rütteln mit den Leinen, schreien, machen das Mastlicht an und aus, doch sie sind schwer zu verscheuchen. Letztendlich haben sie doch genug und verschwinden in die Nacht. Doch die Windex ist ganz schön verbogen. Ein anderer Geselle ist da genügsamer, er setzt sich auf den Bugkorb, steckt seinen Kopf ins Gefieder und macht ein ausgiebiges Schläfchen. Als er am nächsten Tag auf den Solarpaneelen Platz nehmen will müssen wir ihn leider verscheuchen, er kackt nämlich alles voll.
Sonst passiert so gut wie garnichts. Einmal haben wir Funkkontakt mit einem US-amerikanischen Trawler, der darüber klagt, keinen Fisch zu fangen. Wir auch nicht. Doch der nächste Morgen zeichnet sich leicht gewitterig ab, schnell läßt Smutje die Schleppleine raus, dies sind gute Bedingungen zum Fischen. Und schon nach einer halben Stunde macht sich die Leine bemerkbar!!!!! Sollten wir Glück haben? Capitana ist an diesem Morgen etwas flau im Magen, doch der Ausblick auf ein Sashimi-Frühstück läßt die Übelkeit schnell vergehen. Und schon bald zeigt sich, dass wir ein wunderbares Exemplar von Yellowfin-Tuna an der Leine haben, genau richtig für zwei Tage köstliche Mahlzeiten. Schnell ist der Fisch drin, Smutje tötet ihn und schleppt ihn zum Ausbluten noch eine Weile hinter dem Boot her. Jammi! Jetzt gehts ans Filetieren. Das neue, superscharfe Messer aus Fidschi kommt zum Einsatz! Doch auf einmal steht der Smutje blutverschmiert im Cockpit und hält sich die Hand. Was ist denn passiert? War das Biest doch noch nicht tot und hat zugeschnappt? Hat sich Smutje an den scharfen Rückenflossen verletzt? Oh Nein, es ist viel schlimmer! In seiner Hand klafft ein tiefer Schnitt, mühsam hält Smutje den zusammen, man kann den gesamten Aufbau des Fleisches erkennen, die gelbe Fettschicht zuoberst und dann das rote Fleisch. Zitternd und flau im Bauch und grün um die Nase machen wir einen Plan. Smutje drückt die Wunde zusammen, derweil Capitana den Inhalt aller Medizinkästen durchs Boot verteilt, auf der Suche nach Abhilfe für dieses Desaster auf hoher See, vier Tage vom nächsten Arzt entfernt. Die Klammerpflaster wollen nicht halten, zu feucht und schwitzig die Hand. Was nun? Wir entsinnen uns unseres Kurses zur Medizin auf See, da hatten wir an einer Orange das Nähen von Wunden gelernt. Doch dies ist keine Orange! Steril verpackte Rundnadeln mit Faden haben wir an Bord, sie sind bald gefunden. Doch wie geht das? Wer näht das jetzt? Zitternd hält Capitana die klaffende Wunde zusammen, während Smutje sich heldenhaft ins eigene Fleisch sticht. Das ist zäh wie Leder und garnicht leicht, zum Glück verspürt Smutje keinen Schmerz, Adrenalin? Mit vier Stichen ist der Riss geflickt, die Knoten eher dilettantisch von Capitanas bebender Hand geknotet. Während Smutje die Beine hochlegt beseitigt Capitana das Massaker, kippt einen Eimer nach dem anderen über das Blut, Smutjes und Tunas. Schmerzmittel, Antibiotika, alles liegt nun wohlsortiert für den Notfall bereit. Der Fisch stinkt derweil in der Sonne. Wir geben ihn den Haien zum Fraß, Appetit mag nicht mehr aufkommen. Vergeblich rufen wir unsere Freunde der „Robusta“ über Funk, wir entsinnen uns, dass Anja ja auch schon im medizinischen Bereich gearbeitet hat. Am nächsten Tag, ohne weitere Zwischenfälle, meldet sich, wie ein dahergeflogener Engel, erst Thomas auf dem Funk, dann bekommen wir gute und hilfreiche Ratschläge von Anja und sind unglaublich glücklich, dass wir unser Leid teilen können. Glücklicherweise ist ja auf See ein antiseptisches Klima, es gibt keine Fliegen, Mücken, etc., so dass sich auch die Wunde nicht infizieren wird. Hoffentlich…
Wir passieren kleine Atolle, die wir aber nicht anlaufen können, da es Pflicht ist, zunächst in der Hauptstadt von Kiribati einzuklarieren. Als sich das Atoll Tarawa am Horizont abzeichnet wird der Himmel unglaublich schwarz, vereinzelte Blitze zucken durch die Nacht und wir drehen bei, lassen INTI entspannen und versuchen das auch, bei diesem Wetter wollen wir nachts nicht in den Pass. Der Morgen sieht noch immer grau aus, aber nun los! Wir sind im Sichtkontakt mit unseren Freunden, doch auf einmal steht ihr Boot still. Nanu-was ist los? Wir nähern uns und erfahren, dass es ein Motorproblem ist. Wir bleiben in der Nähe, doch deren Problem ist dann doch schnell gelöst. Die nächste Aufgabe: wir müssen „Tarawa Radio“ anfunken, um um Erlaubnis zum Einlaufen in die Lagune zu bitten, beziehungsweise unser Kommen ankündigen. Wir sind in Mikronesien und die Sprache auf dem Funk klingt schon fast asiatisch! Mehrere Anläufe brauchen wir, um gehört zu werden. Man befragt uns zu unserem Boot, wieviel Crew wir an Bord haben und ob wir einen Schlepper brauchen….? Hä? Einen Schlepper? Wir sind doch kein Tanker oder Frachter!!!! Nein, das ist nicht nötig. Wir lassen gemütlich den Anker fallen. „Robusta“ ist im Kontakt mit den zuständigen Behörden und auch für den Transport aufs Boot, denn Smutje kann mit seiner Hand noch nicht mit Capitana das Dingi zusammen bauen. Eine Herausforderung sondergleichen für Thomas! Die erste Fuhre Beamte sind auf ihr Boot befördert worden, doch natürlich nicht ohne Zwischenfall: der Customsbeamte fällt beim Einsteigen ins Dingi halb ins Wasser und schürft sich die Hand übel auf, so dass Anja nun nicht mehr ferndiagnostisch sondern live behandeln muss. Die zweite Fuhre kommt problemlos an und die Einreiseformalitäten sind schnell abgehandelt. Dann nochmal kurz an Land und in der Krankenstation vorbei. Der Doc ist begeistert von unseren Nähkünsten. „Hier noch eine Salbe, in drei Tagen Fäden raus, ich denke das bekommt ihr selber hin!“ Jetzt kehrt Entspannung ein, willkommen in Kiribati!
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Alles nochmal gut gegangen! Supi. Aber den Yellowfin über Bord schmeissen hat euch sicherlich große Überwindung gekostet. ;-). Viel Glück und noch mehr Spaß wünschen euch die “meerbaeren” Anne und Rainer.
… wow – immer wieder schön eure spannenden beiträge zu lesen!
gute reise, schöne abenteuer & gute genesung für die hand!