Uuh wir haben viel gelacht. So viel Sterne in der Nacht. Turaluraluralu, ich mach Bubu, was machst du? Trio
Tuvalu. Das klingt wie ein Himmel voller Sterne, Ruhe, Frieden und Südseeträume. Nach fast sieben Tagen auf See mit den verschiedensten Bedingungen sehen wir Land am Horizont. Unsere Freunde auf der Segelyacht Robusta sind seit ein paar Tagen in Sicht- und Hörweite, so teilen wir über Funk unser Leid über die stickige südpazifische Kalmenzone, kämpfen mit Gewittersqualls, dümpeln schwitzend in der Flaute. Es ist heiss, unglaublich heiss, die Ventilatoren laufen auf Dauerbetrieb und trotzdem ölen wir erbarmungslos vor uns hin, kommen kaum mit frischen Kissenbezügen hinterher. Doch wir nutzen die Windstille, endlich konnte Smutje mal im offenen Ozean baden! Welch Freude! Bisher war Capitana das ja zu unheimlich gewesen, was lauern da für Monsterkraken, Strömungen und Haie im weiten Ozean, was ist, wenn er einfach hinabgesaugt wird in 5000 Meter Tiefe? Doch in der Flaute liegt dass Meer wie eine Ölschicht da und er springt waghalsig in die Fluten und geniesst das Bad, tausende Meter Wasser unter sich, fernab jeglicher Besiedelung.
Doch dann gilt es, diesen Inselstaat mit dem wundervoll klingenden Namen anzusteuern, den Anker fallen zu lassen und uns mit der Realität vertraut zu machen. Einige alte Pötte rosten in der Lagune herum, Seelenverkäufer, die ihre besten Tage hinter sich haben. Fischer preschen mit ihren Booten aus der Lagune, winken uns zu. Der Anker fällt und damit auch die Anspannung der Überfahrt. Jetzt gibt es erstmal einen feinen Schluck mit den Robustas, bevor wir am nächsten Tag mit etwas schwankenden Seebeinen zum Behördengang aufbrechen. Wir finden uns in einem großen, neuem Gebäude wieder, welches wohl gerade erst von den einzelnen Behörden bezogen wurde, überall stehen Kartons herum und wir werden von A nach B, über C nach D geschickt nur um wieder bei A herauszukommen. Eine Feststellung haben wir im Pazifik gemacht, wenn jemand etwas nicht weiss, gibt er das nicht zu, sondern überlegt sich einfach Antworten. So irren wir eine Weile durchs Gebäude bis sich herausstellt, dass wir hier falsch sind. Nun laufen wir durch die stickige Mittagshitze zum Hafen, wo wir dem Hafenmeister unsere Aufwartung machen müssen. Jetzt schnell ins Krankenhaus 20 Dollares für ein Gesundheitszertifikat abdrücken (wer hat uns eigentlich untersucht?) und zurück auf Start, wo uns mitgeteilt wird, dass wir leider nicht die korrekte Reihenfolge eingehalten haben. Schweissperlen kommen hoch, mühsam versuchen wir cool zu bleiben. Wir setzen unser bestes Lächeln auf, gucken möglichst hilflos und siehe da, da haben wir auch schon den Stempel im Pass. Willkommen in Tuvalu!
Nun können wir entspannt das Leben um uns herum beobachten und geniessen. Wir sind wieder im geliebten Polynesien! Ganz anders ist das Strassenbild hier, verglichen mit dem auch indisch geprägten Fidschi, welches ja zu Melanesien gehört. Und überraschenderweise gibt es hier viel Grün, es wachsen Bananenpalmen, Papayas, Brotfrüchte. Dominant hier ist das Fortbewegungsmittel Moped. Alle düsen sie in ihrer bunten Kleidung mit Kind und Kegel durch die Gegend, transportieren riesige Kanister und Fässer, Hunde liegen faul in der Sonne und schlafen, Chinesen machen Business. Im 2. Weltkrieg haben die Amis hier eine riesige Flugbahn gebaut um das japanisch besetzte Kiribati zu bombardieren. Sie ist die grösste Freifläche auf dem dichtbesiedelten Atoll. Wir treffen auf ein ganz eigene Welt. Hier spielt sich das Leben ab! Am Rande der Landebahn stehen Verschläge, in denen Schweine gemästet werden, sind kleine Gärten angelegt und auf dem Rollfeld wird flaniert, geschmaust und wild trainiert, Fussballspiele, Volleyballturniere, Cricket, Abendgymnastik, johlende Kinder und Familien, die auf Decken zusammen sitzen. Zweimal wöchentlich kommt ein Flieger, dann ertönt eine Sirene und die Leute räumen das Feld, tragen die Fussballtore an den Rand, fahren das von der EU gespendete Feuerwehrauto in die Nähe und besetzen die Flughafenschalter. Geschäftigkeit kommt auf, doch kaum ist er wieder weg geht das bunte Leben weiter.
Jeden Abend laufen wir die kleine Bar am Flugfeld an, stellen unsere Stühle an das Rollfeld, um das lustige Treiben zu beobachten, reden mit der Besitzerin Ata und machen erstaunliche Feststellungen. Die Sprache Polynesiens hat sich über tausende von Meilen in einigen Wörtern kaum verändert. So ist das Wort für Fisch „Ika“ von der Osterinsel bis hier das Gleiche, das Wort „Herz“ variiert zwar, aber auf der Osterinsel ist es „mahatu“, in Französisch-Polynesien „mafatu“, in Tonga „mafu“ und hier in Tuvalu „hatu“. Wir erfahren allerdings auch, dass die Bedeutung hier die gleiche ist wie „Stein“. Das wundert uns doch etwas. Ein Herz aus Stein? Oder so stark und solide wie ein Stein? Das kann uns hier aber keiner erklären. Auf einmal schallen uns deutsche Worte entgegen. Wo kommen die denn her? Weit und breit kein Bleichgesicht zu sehen! Es sind der Koch und sein Kumpel, die 20 Jahre lang auf deutschen Schiffen gearbeitet haben. Zusammen mit den beiden älteren polynesischen Herren schwärmen wir über Labskaus, Kohlrouladen und deutsche Hafenstädte. Ein Stück Heimat am anderen Ende der Welt, schräg! In der Bar lernen wir viele Einheimische kennen und fragen vorsichtig nach deren Einschätzung zur drohenden Klimakatastrophe. Die Inseln Tuvalus gehören zu den Gebieten, die vom Versinken bedroht sind. Sie scheinen das Thema gewohnt zu sein und mögen garnicht darüber sprechen. Leider ist hier der Einfluss der vielen US-amerikanischen Freikirchen so gross, dass wir den Eindruck haben, die Menschen sind durch ihren Glauben geradezu weichgespült worden, geben ihr Schicksal einfach aus der Hand. Eine klare Antwort auf unser Nachhaken ist: „It’s all in the hands of God.“ Wenn das mal so wäre… Wissenschaftler geben den Inseln hier noch maximal 50 Jahre, bis sie im Ozean versinken, der Punkt an dem die Katastrophe durch eine radikalere Klimapolitik der Industriestaaten noch abgewendet werden könnte ist längst überschritten.
Unsere Freunde leihen sich zwei Mopeds aus, geben uns eins ab und so düsen wir die 20km lange Strasse durchs Atoll. Wir bestaunen die Vegetation, werden überall freundlich begrüsst, kommen aber am Ende auch an der grossen Müllkippe der Insel an. Mit den Fliegern und Versorgungsschiffen kommen natürlich die heiss begehrten Konsumgüter an, alle schön in Plastik verpackt und wo soll das alles hin? Es wird ans Ende des Atolls gekarrt, gepresst, gestapelt und stinkt nun vor sich hin. Traurig! Am anderen Ende entdecken wir eine Art Cafe, wunderbar gelegen am Aussenriff. Wir schauen hinaus aufs Meer, ruhen uns aus und erfahren, dass hier ein kleines Hostel entstehen wird. Hier wird geplant und gemacht. Von Endzeitstimmung keine Spur, die Menschen haben Projekte, Träume, Ideen.
Wir besuchen die kleine „University of the South Pacific“, in der klimatisierten Bibliothek arbeitet der einzige andere Segler aus Holland an seiner Website. Studentinnen arbeiten hier, die Bibliothek ist etwa 80 Quadratmeter gross, die Bücher stauben vor sich hin. Während Smutje mit Thomas versucht, eine Genehmigung zum Ansteuern der anderen Atolle zu bekommen (leider erfolglos) liest Capitana in kühler Umgebung dicke Wälzer über die Geschichte der Bewohner des Südpazifiks.
Doch nun wird es Zeit, die Kugel am dicksten Punkt zu überqueren und so checken wir Wetter und brechen nach einer Woche schon auf nach Kiribati in den nördlichen Gefilden.
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