Die Maori Neuseelands nennen den Pazifik Moana-Nui-o-Kiva, „Großer Ozean vom Blauen Himmel“ (…) Der Pazifik war mehr als ein Ozean, er war wie ein Universum. Auf Seekarten glich er dem Bild des Nachthimmels. In seiner Weite wirkte er wie der gesamte Himmel der Schöpfung, eine Verschränkung von Luft und Erde. Er schien wie das Weltall, eine ungeheure Leere, getupft mit seltsam geformten Inseln, die wie Sterne funkelten, Archipele wie Sternbilder, und war Polynesien nicht eine Art Milchstraßensystem? Aus Paul Theroux „Die Glücklichen Inseln Ozeaniens“
Tahiti empfängt uns laut und ungewohnt betriebsam. Autos, Autos, Autos und mehrspurige Strassen. Doch an der Freundlichkeit der Menschen hat sich nichts geändert, werden wir von jedem auf der Strasse mit einem schwungvollen „Ia ora na“ begrüsst, sitzen Jungs mit Ukulelen am Strassenrand und lassen Südseeträume akustisch wahr werden, laufen Menschen mit langen Stöcken mit Netz herum, um Mangos aus den Bäumen zu keschen, der Fang des Tages, meist prächtig glänzende Mahi-Mahis oder blau leuchtendeThunfische hängt am Strassenrand und wartet auf Abnehmer. An der Bushaltestelle nehmen uns oft einfach so Menschen in ihren Autos mit, lange bevor ein Bus in Sicht kommt, immer bereit für einen Plausch. So hören wir von einem Franzosen, der hier nunmehr seit über 30 Jahren wohnt, dass er sich bei seiner Ankunft eine Tageszeitung hat geben lassen und nicht glauben konnte, dass dies die wirkliche Zeitung ist. Keine Berichte über Verbrechen sondern anmutige Bilder von Miss Tahiti mit Blumenkranz im Haar und knackigen Kerls bei Surfmeisterschaften. Er konnte garnicht glauben, wie friedlich es sich hier mitten im Pazifik lebt und ist kurzerhand geblieben. Ein anderer fährt wie ein Henker durch den Berufsverkehr und erzählt uns nebenbei, dass er gerade beim Bluttest war, da er kurz ohnmächtig war, vielleicht ein epileptischer Anfall, glaubt er aber nicht und überholt waghalsig die anderen Autos. Froh waren wir, am Ziel angekommen zu sein.
Tahiti ist für uns aber auch ein Wechselbad der Gefühle. Ursprünglich kamen wir hierher, um unsere Bordkasse ein wenig aufzubessern, doch die Jobs platzen und es stellt sich heraus, dass es nicht gerade leicht ist, hier auf legalem Weg zu arbeiten. Das Boot muss „papeetisiert“ (Papeete ist die Hauptstadt Tahitis) sein, sprich, wir müssten INTI einführen und auf sie Steuern bezahlen. Ob sich das für kleinere Arbeiten an anderen Booten lohnt wissen wir nicht und für grosse Jobs reicht das Französisch nicht aus.
Also sitzen wir oft über den Karten, überlegen hin und her, wie es für uns weitergehen kann. Die Faszination der Osterinsel und seiner Bewohner hängt uns noch nach und wir überlegen, INTI eine Weile hier zu parken, um dort unser Glück zu versuchen. Oder segeln wir nach Kiribati? Da ist es auf jeden Fall in der Zyklonsaison von Dezember bis Mai sicher. Nochmal in die so ruhigen Tuamotus? Auf die Marquesas? Viele Wege führen weiter aus Polynesiens Herz Tahiti!
Zuerst reparieren wir jedoch kleinere Baustellen auf der INTI, finden entsprechende Ersatzteile (zu astronomischen Preisen), machen endlich wieder einen Ölwechsel und tauschen alle Filter am Motor. Die Nähmaschine wird herausgekramt, Segel repariert, Relingskleider angepasst und nebenbei noch ein Gewand für Stefans neues Dingi gezaubert. Wir zerlegen den wild klappernden Windgenerator, statten ihn mit neuen Lagern, Dichtungen und Bürsten aus und sanieren seinen ziemlich verrosteten Ständer. Die Pinne hat Spiel und so laufen wir zum Dreher, der uns auf seiner super Drehbank ein neues Teil zurechtbiegt. Auch biegen wir uns unser Französisch zurecht, denn hier wird, gerade in Werkstätten, kaum englisch gesprochen, und die technischen Fachbegriffe hat Capitana nicht in der Schule gelernt. Da können Sartre und Camus nicht mithalten, Kugellager, Abzieher, Simmeringe waren nicht Thema der höheren Literatur. Doch mit viel Gestik, Mimik, Hand und Fuss und Zettel und Stift funktioniert alles, unsere französischen Freunde können uns hier helfen, schreiben uns Fachbegriffe auf, was das Ganze natürlich sehr vereinfacht.
Mit ihnen erkunden wir im Auto gemeinsam einen kleinen Teil der Insel, je weiter man sich von Papeete und seinem Trubel entfernt um so beschaulicher und grüner wird es. Wasserfälle und Flüsse überall, saftige Natur und riesige Gärten. Mit unserem Freund von der „Abraxas“ nehmen wir eine ziemlich abenteuerliche Wanderung in Angriff, hoch zu einem gigantischen Wasserfall. Über Stock und über Steine finden wir irgendwie den Weg, müssen mehrmals einen Fluss passieren, kraxeln und stolpern über matschige Wege bis wir endlich belohnt werden. Das Rauschen des Wasserfalls ist ohrenbetäubend, die Luft ist voll Spray, die der Wind wild herumbläst und schon stürzen wir uns in die erfrischende Lagune, es ist kaum möglich, die Kaskade hochzuschauen, hart prasseln die Tropfen auf uns herunter. Wir sind die einzigen, die es bis hierhin geschafft haben und fröhlich kreischend geniessen wir das Bad im frischen Süsswasser, waschen uns die Salzkruste ab und fühlen uns wie neugeboren.
Irgendwann müssen wir auch mal wieder in die Kirche gehen, denn oft haben wir an Sonntagen die wunderbaren polynesischen Gesänge aus den Kirchen gehört, die uns immer wieder einen freudigen Schauer über die Haut jagen. Überhaupt wird hier viel und oft gesungen und getanzt, Blumen im Haar gehören zum Alltag und Scham und Peinlichkeiten sind den Menschen scheinbar fremd. Kinder kommen selbstverständlich auf einen zu, grüssen oder fragen, wie es geht, wohin wir wollen, wie wir heissen. Schulmädchen tragen Blumen im Haar, stark und selbstbewusst die Frauen, meist mit einem breiten Kreuz, stolz und schön und niemals schüchtern. Wassersport gehört hier zur Tradition und wird überall ausgiebig betrieben. Abends wird in Auslegerbooten trainiert, laut wird der Ruderwechsel verkündet, ho-ho, und flott gehts weiter. Kinder üben das Segeln in HobieKats (kleinen Katamaranen) und Optimisten und wenn die Lehrerin fragt, ob sie jetzt mal ins frische Nass hüpfen wollen ertönt ein lautes, fröhliches „Ouuuuuiiii!!!“ durch die Bucht, gefolgt von etwa zwanzig Platschern ins Wasser und anschliessendem Gepruste, Gekicher und Gespritze. Gerne hängen sich auch die muskulösen Jungs in ihren Kajaks hinter unser Boot, wenn wir in Fahrt sind, um in unserem Heckwasser Kräfte zu sparen, doch ein Blick auf unsere Geschwindigkeitsanzeige sagt uns, dass sie trotzdem mit über 10km/h unterwegs sind. Très forts, très vide….Dies passierte uns, während wir den Flughafen von Tahiti passieren mussten, haarscharf landen die riesigen Flieger direkt auf der Piste an der Küste. Aber wir schätzen uns glücklich-der Mast ist noch dran, dank der Infotafeln im Wasser, die uns die Funkfrequenz des Towers nennen, die Lotsen wissen Bescheid und teilen mit, wenn man das Boot doch lieber stoppen sollte, um die grossen Vögel passieren zu lassen.
Allabendlich rollen die „Roulottes“ heran, fahrende Küchen in Kleinbussen, die leckeren Schmaus servieren. Tische und Stühle werden aufgebaut, meist auch ein Grill, und schon wird gemeinsam schnabuliert, es duften Steaks und Fisch vom Grill, Poisson cru ist allgegenwärtig und komischerweise immer Chow Mein, Nudeln asiatisch mit Gemüse und Fleisch nach Wahl.
Wir leben gut in Tahiti, die Mischung aus urbanem Leben und den gelebten Traditionen gefällt uns sehr. Doch leider ist Tahiti ein teures Pflaster, und wenn es guten Käse und leckeres Rindfleisch gibt-will man darauf verzichten? Uns zieht es wieder in abgelegenere Gefilde, wo das Geld nicht so dahin schwindet und ein selbstgefangener Fisch noch viel köstlicher ist als ein Steak aus dem Supermarkt.
Innerhalb Tahitis ziehen wir um an einen anderen Ankerplatz. Der Trubel vor der Marina Taina ist uns irgendwann zuviel und wir wollen mal sehen, wie unsere Freunde in Arue liegen. Ein sehr ruhiger Ankerplatz, der viel näher an Papeete liegt, sich aber garnicht so anfühlt. Arue ist doch eher beschaulich, eine kleine Kirche ziert die Küste, das Rathaus residiert in einem alten Kolonialbau aus Holz, in einem kleinen Tanzstudio wird polynesischer Tanz geübt. Doch hier tobt im Gegensatz zu Taina das echte polynesische Leben, allabendlich wird auf dem Sportplatz Tanz und Kampftanz geübt, hier wogen sich die Hüften der Schönheiten, unglaublich, wie leicht das aussieht, die Beine bleiben unbewegt, nur aus der Hüfte wird geschüttelt und vibriert, dass es einem den Atem verschlägt. Die Kampfrufe der Männer hören wir manchmal bis mitten in die Nacht auf unserem Boot. Nebenbei wird im ansässigen Yachtclub ein Flohmarkt veranstaltet und wir können INTI um das ein oder andere Teil erleichtern. Ein buntes Event, es treffen sich Segler aus Italien, Russland und natürlich Frankreich, um überflüssigen Kram an den Mann zu bringen.
INTIS Bauch ist voll mit Proviant, Wasser und Diesel, und mittlerweile haben Smutje und Capitana die 100 Meilen nach Huahine durch den mal wieder nicht so stillen Ozean gemeistert. Wir schaukeln wieder im türkisen Wasser, mal schauen was uns so an Land erwartet!
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