Lange war es ruhig um uns. Wir machen gerade Pause in Deutschland, doch in ein paar Wochen gehts weiter. Hier noch unsere ersten Eindrücke aus Panama und ein wenig Providencia.
Wir sind, kaum zu glauben, über acht Wochen nach unserem Start in Kuba endlich in Panama angekommen. Die dreitägige Überfahrt von Providencia bescherte uns noch einmal viel Wind von vorne und ordentlich Welle von der Seite. Wir schaffen es nicht, den Kurs zu halten und fragen uns schon, wohin es uns diesmal blasen wird, doch – oh Wunder – am letzten Tag dreht der Wind und wir können unser Ziel wieder direkt anlaufen. Pünktlich zum Morgengrauen fahren wir in die sehr schmale Einfahrt neben den Riffen zur „Panamarina“. Neben uns krachen die Brecher an die vorgelagerten Inseln und Riffe. Doch um die Ecke wird alles ruhig. Hier hängen wir zunächst, festgemacht an vier Bojen, direkt im Dschungel. Abends brüllen die Affen, wir hören die typischen Vogelgeräusche und in der Dämmerung werden wir von unzähligen Chitras (kleine Stechmücken) attackiert.
Bis zur Bushaltestelle sind es drei Kilometer durch den Dschungel zu laufen, oder aber man nimmt den Chicken-Bus um 5:30h, ein alter US-amerikanischer Schulbus, der mit vielen bunten Lichtern und schöner Latin-Musik blinkend aus dem Dickicht auftaucht. Dann geht es los, erst über eine holprige Schotterpiste und dann über Kurven und Serpentinen vorbei an grünen Hügeln, Rinderweiden und kleinen Dörfern. Mittelamerika wie aus dem Bilderbuch. Doch dann werden die Strassen voller, der Müll und Dreck nimmt zu. Wir nähern uns Colón, das wie ein Geschwür seine schmutzigen Tentakel in den Urwald frisst. Eigentlich sollte man von der Hafenstadt an der Einfahrt zum Panamakanal mehr erwarten, doch diese Stadt wirkt irgendwie vergessen. Der Verfall ist allgegenwärtig, wir sehen viel Armut, all die Milliarden, die mit dem Kanal umgesetzt werden, scheinen Richtung Panama-Stadt zu fliessen, wo sie vermutlich in den Taschen weniger Privilegierter verschwinden. Colón hat einen äusserst üblen Ruf und auch wir sind vorsichtig, lassen die Kamera zuhause, verteilen das Geld in verschiedenen Taschen und haben einen wachsamen Blick auf unseren Rucksack. Doch so schlimm ist es dann doch nicht, die Leute begegnen uns wie gewohnt freundlich und wir fühlen uns nicht einen Moment unsicher, während wir von Behörde zu Behörde eilen, Kopierläden besuchen, Passfotos machen und wieder zu Behörden eilen, da doch noch etwas fehlt. Der Einklarierungsprozess in Colón ist mit über 400 Dollar nicht nur der teuerste, er ist auch mit Abstand der Aufwendigste, den wir bisher erlebt haben. Doch wir halten uns wacker. Immer lächeln, auch wenn die Forderungen immer absurder werden. Schikane? Nee, irgendwie scheint keiner zu wissen was man eigentlich genau benötigt. Noch einmal handschriftlich und mit Unterschrift die Namen der Eltern, eine Bestätigung aufsetzen, dass Smutje verantwortlich für die Capitana ist, wir brauchen noch ein Kopie dieses einen Stempels, gehen sie nochmal kopieren…. es nimmt kein Ende doch wir lächeln und lächeln. Die Capitana flucht allerdings getarnt auf deutsch mit Lächeln und ruhiger Stimme im Hintergrund wie ein Rohrspatz („Wollen die gleich noch meine Lieblingsfarbe, -tier, usw. wissen?“), während Smutje am Schalter sein bestes Spanisch auskramt und die Dame von der Immigration schlussendlich dann doch noch davon überzeugt, uns jetzt endlich das Visum auszustellen, was am Anfang angeblich unmöglich war. „Bienvenidos a Panama“ sprach sie nach Stunden und da waren wir auf einmal offiziell im Land.
Doch drehen wir die Uhr nochmal etwas zurück. Bevor wir nach Panama aufbrachen waren wir knapp zwei Wochen auf der wunderschönen Insel Providencia, einem kleinen Stückchen Kolumbien vor der Küste Nicaraguas. Auch hier stoppen wir eher ungeplant, um uns von dem rauhen Wetter zu erholen, doch die Insel gefällt uns auf Anhieb. Im Gegensatz zum faden Cayman Brac ist es hier wieder bunt und lebendig! Schon als wir in die Bucht vor der kleinen Insel Santa Catalina einlaufen denken wir, unser Motor hat schon wieder eine Macke, der Sound ist seltsam. Doch schnell stellen wir fest, dass das das Wummern der Bässe ist, an Land findet gerade die grösste Fiesta des Jahres statt. Schnell sind wir an Land, mischen uns unter die Leute, geniessen das Treiben, schaukeln zur Musik mit und futtern leckere Empanadas an den kleinen Ständen. Eine Woche geht die Fiesta und wir hören teils vom Boot, teils an Land die unterschiedlichen Bands, waten abends durch Bäche von Bier, bis wir unser Dingi erreicht haben.
Tja, Dingi ist auch so eine Sache. Der Aussenborder will nicht mehr. Schon in Cayman Brac hat er gespotzt und geklackert und Smutje gehen so langsam die Ideen aus, woran es liegen könnte. Also lassen wir uns beraten und werden an Mr. Bing verwiesen, nein, kein Chinese, sondern ein waschechter Providencianer. Er nimmt den Aussenborder entgegen und nach ein paar Tagen ist er fertig. Wir freuen uns riesig, sind wir doch jetzt nicht mehr darauf angewiesen, uns von der „Muoza“-Crew an Land ziehen zu lassen, wobei wir alle immer klitschnass werden, bzw. müssen nicht mehr gegen 25 Knoten Wind an Land rudern. Die Fahrt zur INTI klappt schonmal ganz gut. Doch nun will Smutje noch eine Schraube auswechseln und krrrrrrrrrrrrr, das Ding springt nicht mehr an. Also wieder an Land gerudert und ab zu Bing. Der ist allerdings Adventist und arbeitet samstags nicht. Es ist zwar Freitag, doch die Sonne ist schon fast untergegangen und somit darf auch kein Schraubenschlüssel mehr angerührt werden. Also kommt Benjamin, sein Sohn, zum Einsatz. Diese Familie ist wirklich der Wahnsinn, haben sie es sich doch auf die Fahne geschrieben, diesen Motor zu reparieren, da wird jeder Hebel in Bewegung gesetzt, denn versprochen ist versprochen. Dichtungen werden nachgebastelt, Lager repariert, hier noch ein Tupfer Farbe, da noch ein bißchen Vinyl. Immer wieder saust Smutje bei Benjamin auf dem Moped und dem Aussenborder unter Arm zum Dingi, um zu testen. Und so verbringen wir viel Zeit im Garten dieser Grossfamilie, schauen beim Reparieren zu, führen angenehme Gespräche, schäkern mit den Kindern herum und bewundern die Katze, die sich von den Küken auf der Nase rumhacken lässt, ohne ein Schnurrbarthaar zu rühren. Wir sind gerne hier bei Bing, ist dies doch das typische Leben einer Familie in Providencia, einfach und quietschlebendig. Nach kurzer Zeit stellen wir auch fest, dass Frau Bing und die Schwiegertochter in unserem Lieblingsrestaurant kochen. Hier essen wir regelmässig superleckeres Mittag. Eine reichhaltige Suppe, gefolgt von Fleisch oder Fisch mit Beilagen und Salat und einem eiskalten Wasser mit Früchten. Für umgerechnet etwa vier Euro kriegt man das nur schwer selbst gekocht.
Eigenartig ist, dass hier eher englisch als spanisch gesprochen wird, gehört diese Insel doch offiziell zu Kolumbien. Doch durch die vielen Seefahrer und Piraten, die von hier aus die spanischen Gallonen plünderten, hat sich englisch und Kriol gehalten. Wir treffen natürlich auch auf viele spanischsprachige Menschen, doch scheinen die eher eine Minderheit zu sein. Auf den Spuren von Captain Morgan spazieren wir über die Insel Santa Catalina. Wir laufen an kleinen hübschen Stränden vorbei, ein Wald von Mangobäumen spendet uns Schatten. Am Ende der Wanderung erreichen wir Morgans Head, einen vorgelagerten Felsen, üppig grün bewachsen liegt er da im Meer. Wir sind auf der Lee-Seite der Insel, es ist unglaublich still, kein Grashalm wogt sich im Wind. So ganz anders an unserem Ankerplatz, hier faucht und pfeift der Wind seit Tagen, dass es sich kaum lohnt, die Haare zu machen. Aber auch gut für unseren Bordstrom, denn immernoch ist nur eine unserer vier Batterien funktionstüchtig. Der Windgenerator dreht sich wie wild! So kann der Kühlschrank auch nachts laufen und tags sogar der Wassermacher, Strom haben wir genug. Nach ein paar Tagen ist Benjamin dann fertig mit der Motorreparatur, er hat den entscheidenden Fehler gefunden. Leider zwei Tage vor unserer Abreise, aber dennoch, der alte 2PS-ler schnurrt wieder wie ein kleines Kätzchen. Providencia ist wirklich eine ganz besondere karibische Insel, doch endlich tut sich ein kurzes Wetterfenster auf und uns zieht es weiter. Nach fast zwei Monaten wollen wir endlich unser ursprüngliches Ziel Panama erreichen.
In Panama ist erstmal Arbeit angesagt, denn wir wollen die INTI für ein paar Monate alleine lassen. In den Tropen heisst das vor allem, das Boot gegen Schimmel und alle möglichen Viecher zu schützen. Also zunächst erstmal alles Waschbare waschen, alles ausräumen und mit EM, Essig oder Chlor auswischen, Proviant ausmisten, Segel entsalzen und, und, und… Wir schwitzen wie irre in dem feuchtwarmen Klima der Regenzeit und immer wieder machen uns heftige Tropenschauer eine Strich durch die Rechnung. Am Ende bekommen wir aber doch alles trocken und da rollt auch schon der Bagger an, der uns mit einem versenkbarem Trailer über eine Rampe aus dem Wasser zieht und zu den anderen Booten in den tiefen Urwald stellt. Nach ein paar Tagen geht es weiter Richtung Panama City. Von dem alten Schulbus steigen wir um in einen neuen vollklimatisierten Reisebus und weiter in die nagelneue U-Bahn der Stadt. Die Zivilisation hat uns zurück. Wir finden uns wieder zwischen unzähligen Hochhäusern und urbaner Hektik, ziemlich ungewohnt nach über einem Jahr Inselleben. Gestärkt durch leckerstes Ceviche vom Fischmarkt ziehen wir durch die Stadt. Pendeln zwischen der Altstadt mit ihren aufgehübschten Kolonialbauten und dem Bankenviertel mit seinen mächtigen Hochhäusern, klappern diverse Läden ab um uns auf die Reparatur der INTI nach unserer Rückkehr vorzubereiten. An der Promenade schnuppern wir schon mal Pazifikluft und träumen von Polynesien. Geht es bald durch den Kanal? Wir werden sehen. Nach ein paar Tagen geht es erstmal zum Flughafen und weiter nach Deutschland. In zwei Stunden legen wir die Strecke zurück für die wir über acht Wochen gebraucht haben, unter uns sieht die karibische See immernoch ziemlich wild aus. Ein paar Stunden später sitzen wir in gewohnt gedämpfter Atmosphäre im ICE von Frankfurt nach Bremen und sehnen uns ehrlich gesagt etwas nach unserem bunten karibischen „Chicken-Bus“. Kann hier mal einer Musik anmachen?
Das ist ja ein ganz anrührender Beitrag! Was für Kontraste und Wechselbäder für euch. Habt eine schöne Zeit in Bremen. Gruß an Ulli und Brigitte.Wir liegen gerade eingeweht auf Aero und warten auf den richtigen Wind zurück in den Heimathafen. Alles Liebe von Ingrid&Rainer
Habt Ihr euch mal Gedanken gemacht ob ihr wirklich nächstest Jahr im Pazifik unterwegs sein wollt ? Sieht ja alles nach einem starkem El Nino Jahr aus: http://www.sueddeutsche.de/wissen/el-nio-im-pazifik-braut-sich-etwas-zusammen-1.2608611
Viele Gruesse,
Joerg
ja, das gibt uns echt grad zu denken. mal sehen wie sich das ganze über die nächsten monate entwickelt…