Herzlicher Empfang in Serbien
„Ein Boot aus Breeeemen!“ schallt es uns vom Ufer der Marina aus entgegen. Gerade noch hatten wir uns durch die flache Einfahrt der Hafenanlage von Novi Sad gekämpft, mit wachem Blick auf den Tiefenmesser. Am Steg der von uns ausgewählten Marina steht sichtlich erfreut ein Mann, der sofort den Hafenmeister für das Anlegemanöver ruft. „Mein Boot heißt Altona!!!“ Doch wie anlegen? Capitana springt an Land, um Leinen festzumachen, doch es gibt keinen Ponton an der Seite. Smutje ruft: „Gibt es Moorings, um das Boot zu befestigen?“ Nein, die gibt es nicht. Also fährt er einfach los, um Römisch/Katholisch anzulegen. Souverän parkt er INTI tadellos ein.

Die Donauschwaben
Novi Sad ist der zweite Hafen in Serbien. Angekommen sind wir in Apatin. Zuvor hatten wir in Ungarn an einem Behördenponton aus der EU ausklariert. In Serbien muss erneut einklariert werden. Der Gästesteg von Apatin ist belegt, er ist auch nicht sehr groß. Wir machen an einem Ausflugsschiff fest und hoffen, hier bleiben zu können. Das sei kein Problem wird uns im Marinabüro versichert.

An Land tobt das Leben, das Restaurant ist voll, lautes Lachen und der Duft von Gerichten vom Grill wehen herüber. Doch die Cevapcici müssen warten, wir müssen zur Behörde. Ein völlig heruntergekommenes Gebäude beherbergt die Hafenpolizei. Wir suchen den Eingang, doch die Tür ist abgeschlossen. Nach einer Weile erscheint eine flotte Polizistin hinter der Glastür und schließt uns auf. „Ich musste mal aufs Klo und dann schließe ich immer ab.“ Okay. Die Formalitäten erledigen sich schnell, die Beamtin ist sehr freundlich und ab geht es ins Restaurant. Die Portionen sind riesig und das Bier schmeckt in der brüllenden Hitze erst richtig gut. Um uns herum brabbelt und lacht es, wir haben das Gefühl, gut gelandet zu sein. Die hinter uns liegende Grenze war auch die Grenze zum Balkan und wir merken sofort, dass auf dem Balkan das Leben in vollen Zügen genossen wird. Mit den Rädern fahren wir tags darauf in die Innenstadt. Nachdem wir eine serbische SIM-Karte gekauft haben, schlendern wir durch eine Fußgängerzone.

Als wir vor einer Kirche stehen, werden wir von einer Dreiergruppe auf Deutsch angesprochen, ob wir nicht eine Führung mitmachen wollen. Da sind wir dabei. Es stellt sich heraus, dass dies eine Tour mit einem hiesigen Donauschwaben ist, der sich um die vielen vergessenen und verwahrlosten Stätten der Donauschwaben kümmert. Viel wussten wir nicht über dieses Kapitel. Wir erfahren, dass die Donauschwaben sich im 18. Jahrhundert hier in Apatin angesiedelt haben, sie hatten in ihren Fahrzeugen, den Ulmer Schachteln, eine schwarze Marienstatue dabei und dort, wo sie eine Nacht lang an Land nicht umfiel, ließen sie sich nieder, so die Legende. Eigentlich wurden sie von der Habsburger Monarchie angesiedelt, um das Land zu bewirtschaften und Ackerbau zu betreiben Die Statue steht nach wie vor in einer Kirche, die wir gemeinsam besichtigen. Weiter geht es zu einer Synagoge, an der der Zahn der Zeit genagt hat. Vögel fliegen hindurch, dicke Spinnweben säumen den Eingang, Mücken sirren um unsere Köpfe.

Ein Stopp noch in einer halbfertigen Kirche, in welcher der Apatiner Boris alles ausgestellt hat, was er an Relikten der Donauschwaben ausgegraben oder in Verstecken gefunden hat. Wir staunen über dicke religiöse Schriften aus dem 18. Jahrhundert, über Kirchengewänder und Jesusstatuen, welche er nach den Angriffen serbischer Paramilizen 1991 noch retten konnte. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde ein Großteil der Donauschwaben von hier vertrieben, Grund dafür war, dass viele von ihnen mit den Nazis kollaboriert haben. Einige wenige blieben dennoch. Voller Eindrücke und Emotionen verabschieden wir uns von Boris.

Pulsierendes Leben in Novi Sad
Tags drauf wollen wir weiter nach Novi Sad. Wir gönnen uns zwei Nächte vor Anker, bevor wir diese aufregende Stadt erreichen. Nach dem gekonnten Einparkmanöver bekommen wir sogleich eine Einführung in die Sehenswürdigkeiten vom Besitzer der „Altona“. Er hat 50 Jahre in Hamburg gearbeitet und kommt von hier. Neugierig schwingen wir uns auf die Räder (wenn wir die nicht hätten!) und ab ins Zentrum. In den vielen Fußgängerzonen tobt das Leben, schaut man in die Höfe der Häuser hinein, so liegen dort Restaurants und Bars hintereinander, von vorn kaum zu erahnen. Es liegt ein besonderer Spirit über der Stadt, sie säuselt und vibriert, das milde Abendlicht taucht alles in einen sanften Orangeton. Nach einem leckeren Essen fahren wir auf der Promenade zurück, es ist mittlerweile dunkel geworden, doch halb Novi Sad promeniert nun auf dem breiten Uferweg, der gesäumt ist von Sportstätten, beispielsweise ein Tennisplatz, der Monica Seles gewidmet ist, die in Novi Sad ihre Karriere begann.

Auf Empfehlung fahren wir zu einem Markt. Wir betreten die Halle und es strotzt nur so vor satten Farben: Pfirsiche und Aprikosen leuchten uns weich und rosig an, Tomaten, Gurken, Melonen, Weißkohlköpfe. Es ist Sonntagmorgen, aber der Markt scheint keinen Feiertag zu kennen. Hier kauft jeder ein, die ältere Dame, der junge Familienvater mit seinen Kindern, der Fischer und seine Frau. Mit prall gefüllten Taschen verlassen wir den Markt, glücklich über eine so große Vielfalt und Frische und die vielen Vitamine.

Eine Festung thront auf dem anderen Donauufer, die wollen wir auch noch sehen. Nachdem wir die schweißtreibende Anfahrt hinter uns haben, erwartet uns oben ein frisches Lüftchen. Die Festung beherbergt heute Ateliers, das erstaunt uns etwas. Keine muffigen Ausstellungsräume mit Filzpantoffeln. Diese Stadt hat uns begeistert, nicht nur wegen ihrer lebendigen Atmosphäre, sondern auch wegen der überaus freundlichen Menschen.

Belgrad?
Voller Vorfreude schmeißen wir den Motor an, um nach Belgrad zu fahren. Dort erwartet uns leider ein ganz anderes Bild. Anlegemöglichkeiten an Stegen gibt es nicht mehr, wir hangeln uns zu einem Yachtclub, der allerdings 120 Euro für eine Nacht verlangt, reduced price – haha, und so sind wir doch etwas ratlos. Einen kleinen Hafen soll es etwas außerhalb geben. Durch einen engen Kanal schlängeln wir uns langsam Richtung Hafen, es ist mal wieder sehr flach. Fast bleiben wir stecken. Ein Mann nähert sich in einem kleinen Motorboot und fragt, ob wir Hilfe bräuchten. Ja, einen Platz am Steg, wo wir nicht steckenbleiben. Er organisiert etwas mit einer Freundin an einem von Möwen vollgeschissenen Steg, der Preis ist überdimensioniert und es riecht unappetitlich. Der Entschluss steht: Mit Belgrad und uns wird das nichts. Wir holen nochmal Diesel und Lebensmittel und weiter geht’s. Schade.
Wölfe, Sternschnuppen und das Eiserne Tor
So knattern wir weiter die Donau runter, gespannt, was uns als nächstes erwartet. In der Dämmerung erreichen wir den Silbersee. Hier ist die Donau so breit, dass man das Gefühl hat, sich auf einem großen See zu befinden. Wir legen uns geschützt zwischen zwei Inseln, werden in der Dämmerung von gierigen Mücken überfallen. Danach tut sich ein unglaublicher Sternenhimmel auf, mit Sternschnuppen und am Ufer hören wir die Wölfe heulen. Serbien soll eine der größten Wolfspopulationen Europas haben.

Morgens ist die ruhige Stimmung dahin, es weht ein starker Wind, der Anker wird gezogen. Als der Wind nachlässt, ist es brüllend heiß. Wir erreichen eine der ersten Schluchten. Beeindruckend erheben sich die Felsen, INTI ist umgeben von kühlen Wänden, das Wasser hat eine Tiefe von bis zu 70 Metern. Schubverbände schieben ihre Fracht durch das enge Fahrwasser, Kreuzfahrtschiffe bringen fotografierende Touristen durch die Schlucht.

In der Dämmerung überlegen wir uns, wohin in dieser Nacht. Vor uns liegt ein Seitenarm, in den wir uns vorsichtig hineinschieben. Er eröffnet sich zu einem kleinen See, der Anker fällt, bevor sich auch die Nacht über uns senkt. Balkanmusik tönt vom Ufer, wir liegen sicher und geschützt, hängen einen Ausruhtag dran, um frisch die Fahrt durchs Eiserne Tor fortzuführen.

Nach den eher ruhigen Tagen sind wir überrascht vom Halligalli in der imposanten Schlucht. Ausflugsboote, Jetskis und kleine Motorboote flitzen um uns herum und doch schmälert das nicht das Zauberhafte, Majestätische, das diese Schlucht ausstrahlt.

Die vorletzte Schleuse und dann Ciao Serbien
Völlig beeindruckt von diesem Naturspektakel müssen wir uns jetzt ganz anderen Dingen widmen, die vorletzte Schleuse liegt vor uns, ein riesiger Komplex, der von Rumänien (welches auf der linken Flussseite liegt) und Serbien (welches auf der anderen Seite liegt) im wöchentlichen Wechsel betrieben wird. Wir funken. Keine Antwort. Wir funken nochmal. Irgendwas tönt durch den Äther und wir verstehen, dass wir zwei Stunden warten sollen. INTI wird vor der Schleuse vertäut. Ein schwitzender Mann erscheint auf dem Steg. Welche Flagge wir fahren. Die Deutsche. Ok. Rein in die Schleuse, wenn das Licht grün ist. Ja, wie immer. Er schleicht sich schwitzend von dannen. Bald darauf nähert sich ein Binnenschiff. Ahhhh, da kommen wir früher in die Schleuse! Die Ampel schaltet auf grün. Wir funken die Schleuse an und es wird uns gesagt, dass wir einfahren dürfen. Vor dem Binnenschiff? Das ist überhaupt nicht üblich. Aber, ja, davor. Wir machen die Leinen los und geben Gas. Der Funk knattert: „Stopp Motorboot, stopp!“ Was ist denn nun los? Das Binnenschiff fährt auch eine deutsche Flagge und über Funk kommt die Nachfrage, ob wir deutsch sprechen. Ja. „Sofort Stopp! Erst Binnenschiff!“ kommt in brüchigem Deutsch aus dem Gerät. Naja, das haben wir eigentlich gewusst. Der Binnenschiffer fährt ein und wir hinterher. Nach der ersten Schleusung erwartet uns gleich hinter dem Schleusentor eine nächste Schleuse. Eine Stunde später sind wir dem Schwarzen Meer gefühlt bedeutend näher gekommen.

Die nächste Aufgabe wartet auf uns: wir müssen aus Serbien ausreisen und dafür in den Ort Kladovo fahren. Es soll einen kleinen Hafen geben. Ja, den gibt es. Doch der ist zu flach. Was nun? An einem ausgedienten Binnenschiff hängt ein Schild: Maritime Behörde. Wir machen INTI fest und schon kommt ein netter Mann herbei der perfekt deutsch spricht, er arbeitet für die Behörde, wir können eine Nacht hier bleiben, morgen früh kommt ein anderes Schiff, dann müssen wir weg. Er informiert die Hafenpolizei, die am nächsten Morgen für die Formalitäten kommen wird. Einkaufen, essen gehen, schlafen.

Schnell haben wir ausklariert und verlassen Serbien, nicht ohne noch mindestens eine Stunde mit dem freundlichen Mann vom Steg ein sehr anregendes Gespräch geführt zu haben. Ein Land, welches uns außerordentlich gut gefallen hat. Das linke Ufer bleibt Rumänien, doch das serbische Ufer wird bald zu Bulgarien.

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Moin,
wißt Ihr ob Kladovo die letzte Möglichkeit zum Ausklarieren in Serbien ist?
Mein Plan ist es eigentlich das möglichst spät zu machen und dann in Bulgarien
in Vidin einzuklarieren.
Bzw. Zusatzfrage: Bulgarien und Rumänien sind ja jetzt Schengen. Kann man da einfach „pendeln“ oder ist noch Bürokratie erforderlich?
Gruß, Thomas / SY Selmatrudelli
Moin, das geht auch noch später in Prahovo kurz nach der 2. Schleuse. In Vidin kann dann einklariert werden, das haben Freunde von uns genau so gemacht. Pendeln zwischen Bulgarien und Rumänien geht, seit beide Länder im Schengenraum sind, problemlos und ohne Behördengänge 🙂