Seit Freitag sind wir in der Chaguaramas Bay auf Trinidad und erleben einen kleinen Zivilisationsschock. Nach den beschaulichen Ankerplätzen der letzten Monate mit maximal fünf Booten sind wir auf einmal umzingelt von Yachten. Die Dingis sausen hin und her, Funkrunden knattern über die Funke, es wird geschliffen, gepinselt, gebastelt und fachgesimpelt, Grillabende, Jamsessions und Spielerunden werden organisiert und überall Masten, Masten, Masten. Doch genauso haben wir uns das vorgestellt. In drei Tagen werden wir rausgekrant, immer wieder interessant….
Doch zurück nach Surinam
Surinam ist keine Liebe auf den ersten Blick. Wir nähern uns dem Land durch den Surinam-River. Es ist ein ziemlich breiter Fluss mit einer beachtlichen Strömung. Wie auch der Maroni im Nachbarland ist sein Ufer gesäumt von Mangroven und sehr schlammig. Da wir bei der Anfahrt nachts in einer Flaute hingen, sind wir zu spät gekommen. Wir haben das Niedrigwasser verpasst und nachdem wir anfangs noch mit prallgefüllten Segeln in die Flussmündung rasen, müssen wir irgendwann gegen die starke Strömung anmotoren, es wird langsam dunkel und wir werden immer langsamer. Mit 2-3 Knoten schleichen wir durch die Nacht. Die Ufer sind gespickt mit kleinen und grösseren Lämpchen, Reklame funkelt an Hochhäusern, Mobilfunkmasten blinken und vor der grossen Brücke von Paramaribo leuchtet das Wrack der „Goslar“ grünlich im Wasser. Hinter der Brücke Industrie, Fabriken, Containerhafen, eine Raffinerie. Bauxitdampfer und Fischtrawler kommen uns entgegen, ein reger Verkehr auf diesem Amazonasfluss. Wir denken ein bisschen an zuhause, an die Anfahrten die Flüsse hoch nach Bremen und Hamburg. Doch die tropische Hitze verscheucht diese Gedanken schnell wieder. Vor dem Örtchen Domburg machen wir mitten in der Nacht an einer Mooring fest, und, wir können unseren Ohren kaum trauen, wir werden mit Namen von einem anderen Schiff begrüsst! Im Dunkel der Nacht und mit vor Müdigkeit flackernden Augen können wir nicht klar ausmachen, wer das denn ist. Doch die Beiden geben sich als ein deutsch-holländisches Paar zu erkennen, das wir schon in Brasilien getroffen haben. Jetzt erstmal schlafen und sich das Ganze drumherum bei Tageslicht genauer anschauen.
Und Surinaaaaaam begrüsst uns mit einem Lächeln! Einem schönen breiten Lächeln und wir lächeln mit. Noch etwas müde laufen wir durch die Strassen von Domburg und fühlen uns gleich an Indonesien erinnert. Wie in Java sieht es hier aus, kleine Wege durch den wilden Urwald, ab und zu ein Haus mit dem typischen verrosteten Blechdach. Und, haben wir richtig geschaut…?, da ist ja ein Warung, eine typisch indonesische Fressbude. Tatsächlich! Es gibt Bamie und Nasi Goreng, Saté und eine typisch indonesische Suppe. Ach und was gibt es dort? Da steht ein Inder an der Ecke und hat mehrere Töpfe vor sich stehen. Wir dürfen reinschauen, die Überraschung ist gross! Er verkauft WORST. Gekochte Wurst unterschiedlichster Art. Hotdogwurst, Blutwurst und eine andere Sorte, die herrlich nach indischen Gewürzen und Ingwer schmeckt.
Am nächsten Tag fahren wir mit dem Bus nach Paramaribo, um einzuklarieren. Doch erstmal dort ankommen. Wir wissen zwar, dass die meisten Busse zwischen 7 und 9 Uhr morgens fahren, doch denken wir uns, dass 9h ausreichend sein müsste. Pustekuchen. Zwei Stunden sitzen wir auf der Bank auf dem winzigen Dorfplatz vor dem Chinaladen. Und es wird nicht langweilig. Wir schauen uns die Leute an, die sich hier morgens tummeln. Da sitzen Männer auf der Bank, die ihr erstes Bier trinken, da kommt der komplett mit gelbem Mangosaft verschmierte Markthändler und will uns, na, was schon?, Mangos verkaufen, da trifft der Rastamann den Asiaten, der Inder fegt den Platz und der ältere Moslem trägt stolz seinen Vogel im Käfig spazieren. Mütter mit bildhübschen Kindern gehen schnell was im Supermarkt besorgen und zu uns stösst ein zart verliebtes Teenagerpärchen, das auch Busfahren will. Irgendwann ist er dann da, der Bus. Vollgestopft bis obenhin, die Polster mit Leopardenstoff bezogen und laute Dancehallmusik dröhnt aus den Boxen. War das Leben eben auf dem Platz noch dominiert von asiatisch aussehenden Menschen so ist das hier im Bus ganz anders. Die Schwarzen fahren in die Hauptstadt. Dicke Muttis, junge Mädchen mit Afromob und schicker Brille, Jungs mit tiefliegenden Hosen und Kopfhörern, Leute mit Aktenkoffern und Frauen mit perfekt frisierten kleinen Kindern. Wir kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus, als wir links und rechts der Strasse und dicht beieinander Moscheen, Hindutempel und Kirchen erblicken. Paramaribo zeigt sich uns als eine bunte wuselige Stadt. Überall sehen wir verfallene oder herausgeputzte Holzhäuser aus der Kolonialzeit. Schleusen und Kanäle von den Holländern, eine grosse Markthalle, in der ein wildes Treiben herrscht, zwei Marktfrauen sind aneinander geraten, Obst kullert durch die Gegend und wüste Beschimpfungen hängen in der Luft. Wir schlendern durch den grossen Palmengarten, in dem sonntagsfrüh der Singvogelwettbewerb stattfindet, denn viele Männer haben hier einen Vogel, den sie majestätisch im Käfig spazieren tragen. Gesättigt von den vielen Eindrücken suchen wir uns unseren Bus, den Stempel von der Immigration im Pass, eine schnelle Prozedur. Eine Gastlandflagge haben wir auch im Gepäck und uns schnell noch einen neuen Adenauer nähen lassen unseren hatten wir ja verloren. Jetzt sind wir offiziell im Land und die Etikette stimmt auch wieder. Jetzt aber einen Bus nach Domburg suchen. Ach, da steht er ja schon. Doch die Busse fahren erst los, wenn sie bis auf den letzten Platz belegt sind, das heisst Schwitzen im Partybus und warten. Glücklicherweise ergiesst sich auch hier täglich ein unglaublich starker Regenschauer, der die Luft etwas abkühlen lässt.
Wir entschliessen uns, ein Auto zu mieten um noch mehr von diesem vielfältigen Land zu entdecken. Der Inder Richi (mit ch wie in ICH) kommt vorbei und verschwindet mit Smutje im strömenden Tropenregen. Kurz danach kommt Smutje leicht angestrengt zurück. Er ist nicht nur seit Monaten nicht mehr gefahren, hier herrscht auch Linksverkehr, der Wagen hat eine Automatikschaltung und es ist mittlerweile dunkel und regnet immernoch Strippen. Dennoch strahlt er, der nette Richi hat ihm den Wagen für umgerechnet 11,50 Euro überlassen und es gibt sogar eine Aircon, was in dieser Affenhitze wirklich gut tut. Durch tiefsten Dschungel quälen wir den Toyota am nächsten Tag hoch auf den Brownsberg. Auf dem Weg flattern uns unglaublich grosse blaue Schmetterlinge an der Scheibe vorbei, der Dschungel mit seinen so eigenen Geräuschen umgibt uns völlig, meterhohe dicht bewachsene Bäume bilden ein Dach über dem Weg, an dessen Rändern immer wieder Schilder darauf hinweisen, dass hier nur Tempo 30 gefahren werden darf. Klingt wie ein Scherz, denn wir schleichen mit maximal 20kmh über die löcherige Matsch- Schotterpiste aus der typisch tiefroten Erde. Auf dem Berg erwartet uns ein unglaubliches Panorama vom Brocopondo Stausee. Im leichten Nebel erblicken wir Bäume im Wasser, wolkenverhangen erscheint er uns ein wenig mystisch.
Wir entschliessen uns, mit dem Auto weiter die Strasse zu fahren, denn sie endet irgendwann mitten im Urwald und von dort geht es nur noch mit Booten weiter. Es erwartet uns ein quirliges Dörfchen, eigentlich säumen nur ein paar Häuser die Strasse zum Fluss. Aber da ist mächtig was los: Pirogen werden be- und entladen, es wird sich innigst verabschiedet, Babies werden nochmal schnell in den Fluss zum Waschen getunkt und zwischendrin eine Grillbude, an der wir unseren Hunger stillen können. Langsam werden wir auch müde und fahren die Strasse wieder zurück, nicht dass mindestens fünf winkende strahlende Kinder neben uns herlaufen. Am nächsten Tag klappern wir die unterschiedlichen Märkte von Paramaribo ab. Da gibt es einen im brasilianischen Viertel, einen Javanischen und einen Chinesischen. Der javanesische Markt gefällt uns am besten. Wir werden überall freundlich angelächelt und können den Marktleuten Löcher in den Bauch fragen. Zwar ist hier holländisch die Amtssprache, doch spricht hier fast jeder auch englisch. Wir decken uns mit den unterschiedlichsten Sambals ein, denn haben wir mal eine Gemüseflaute ist es doch immer besser, das Wenige was man hat auch gut zu würzen. Der chinesische Markt liegt direkt vor einem ebenfalls chinesischen Supermarkt, hier wandert dann auch etliches asiatisches Kochzubehör in unsere Tüten und leckerste Dim-Sum in unsere Mägen. Auf dem anderen Markt decken wir uns mit Obst ein. Jetzt aber raus aus der Stadt. Wir überqueren die grosse Brücke und fahren nach Nieuw Amsterdam, einer alten Befestigungsanlage der Holländer. Hier stehen überall Kanonen rum, zwischen denen die Surinamesen fröhlich grillen und Picknicks veranstalten. Kinder hüpfen fröhlich über die frisierten Wiesen, Teenager turteln herum und Familien angeln am Ufer des Commewijnefluss. Nichts erinnert an die grausame Vergangenheit, als hier auch ein Gefängnis war, in welchem heute die furchtbare Vergangenheit der Sklaven, die auf den umliegenden Plantagen arbeiten mussten, dokumentiert ist. Ein tief dunkler Schatten legt sich auf die koloniale Pracht von Surinam als wir ausgestellte Fessel- und Bestrafungsinstrumente sehen und lesen, unter welchen Bedingungen die Sklaven über den Atlantik verfrachtet wurden. Viele sind dabei elendig verreckt. Dass das Ganze grausam war wussten wir natürlich schon vorher, aber die Bilder hauen dennoch rein. Nun ja, Surinam setzt sich damit auseinander und ist dennoch stolz auf seine Bauten. Natürlich gibt es auch hier eine Schleuse zu besichtigen.
Jetzt aber nachhause. Den nächsten Tag mit dem Auto widmen wir der Proviantierung. Wir fahren durch den üblichen Stau nach Paramaribo, besorgen Obst und Gemüse, tanken Diesel in Kanister und kaufen ein, was wir noch so für die weitere Fahrt brauchen. Nun sind wir von der Hitze platt und fahren zurück zu unserer kleinen Schaukel. Wir lassen uns vom Geschrei der Brüllaffen im Dschungel gegenüber in den Schlaf schreien, sie verteidigen ihr Revier durch lautes Brüllen. Die lautesten gewinnen, die anderen haben das Nachsehen. Zwar keine intelligente Lösung, aber wäre das für die Weltpolitik eine Alternative, anstatt die Waffen rasseln zu lassen?
Mit ein paar kleineren Reparaturen, ein paar Feierabendbierchen in der Seglerbar und einer Wassertankaktion am Fischerpontoon verabschieden wir uns langsam von diesem so freundlichen Land. Wir haben es sehr genossen, hier zu sein, nie gelogen, wenn wir auf der Strasse von Einheimischen mit einem breiten Lächeln gefragt wurden: Do you like Surinaaaam? und mit einem ebenso breiten Lächeln antworteten: Yeeeees, we like it!
Lese mit Begeisterung eure äußerst interessanten Beiträge seit ich euch in Rabatt als Mitsegler der Jasina in der Marina Bouregreg kurz kennenlernte. Es würde mich freuen, Weiteres von euch zu hören.