Thailand, da wollten wir unbedingt noch einmal hin. Hier trafen wir uns 1996 zu unserer ersten gemeinsamen, dreimonatigen Rucksackreise. Das Land und auch wir haben uns seitdem ziemlich verändert, doch es schien uns der beste Ort, um unsere bisherige Reise erst einmal abzuschließen, runter zu kommen und neue Pläne für die Zukunft zu schmieden.
Kurz bevor wir uns Mitte Februar von Vietnam auf den Weg machten flatterte eine Nachricht von unseren isländischen Segelfreunden, die uns damals als Linehandler durch den Panamakanal halfen, herein. Sie sind auch grad für ein paar Monate in Thailand, wie klein ist doch die Welt mal wieder! Von ihnen bekommen wir den Tipp, uns von den mittlerweile völlig überrannten Backpackerhostels in Bangkok fernzuhalten und uns ein Condo (früher hieß das mal Apartment) zu mieten. Das sei nicht nur entspannter, sondern meist auch günstiger und größer! Genau das richtige für uns, denn wir planen, einige Zeit in Bangkok zu bleiben. Und so machen wir unsere ersten Erfahrungen mit airbnb und landen einen Glücksgriff. Für einen unschlagbaren Preis ergattern wir ein Apartment in einem angenehmen Viertel, das nicht nur ein großes Zimmer mit Bad und Küche hat, sondern auch Zugang zu einer Muckibude mit Terrasse und Pool! Hier haben wir nicht nur viel Platz und Ruhe für unsere Pläne und Schreibarbeiten, hier können wir auch endlich mal wieder unsere etwas eingerosteten Körper auf Vordermann bringen. Unsere Tage beginnen von nun an mit einem straffen Sportprogramm, gehen dann über in Schreiben und Recherche und enden damit, dass wir uns durch die endlosen, unglaublich leckeren Straßenküchen Bangkoks futtern.
Zukunftspläne reifen heran, Möglichkeiten tun sich auf, doch alles ist irgendwie noch zu wirr. So schleichen sich auch Ängste, Frust und Streit ein, wir stehen doch vor einem recht großen Schritt. Wollen wir wirklich zurück nach Deutschland? Was, außer unsere Familien und Freunde, zieht uns eigentlich noch dahin? Unsere Freiheit aufgeben und zurück ins Hamsterrad? Muss das sein? Smutje möchte am liebsten so viel planen und abklären wie möglich doch die Capitana mahnt ihn zur Ruhe. Ist nicht eine der großen Erfahrungen, die wir auf unserer Reise gemacht haben, mehr im Augenblick zu leben? Der Zukunft zu vertrauen, statt Angst vor ihr zu haben? Die Polynesier haben es uns doch immer wieder vorgelebt! Ist das auch für uns möglich? Wie planbar ist Zukunft eigentlich? Wir diskutieren viel, und es wird sich herausstellen, dass die Capitana mehr recht mit ihren Einwänden haben wird als wir zu dem Zeitpunkt geahnt hätten, doch dazu später mehr.
Für den Moment entscheiden wir uns, Anfang April erst einmal nach Deutschland zu fliegen. Wir wollen uns und unsere überall im Land verteilten Sachen sortieren und den Zustand ohne Haus und festen Job nicht als Makel sondern als Chance wahrnehmen. Stehen uns dadurch nicht alle Türen offen die Dinge auszuprobieren, die wir zuvor aufgrund etlicher Verpflichtungen und Abhängigkeiten aufschieben mussten? Wir werden sehen! Und siehe da, als hätten wir einen Schalter umgelegt, flattern plötzlich neue spannende Möglichkeiten von außen herein, diesmal um einiges konkreter. Interessante Jobangebote, Wohnideen… jetzt fangen wir doch an, uns auf Deutschland zu freuen, Ideen und Träume schwirren in unseren Köpfen herum…..aaaaaber….wie gesagt, wir werden es deutlich vor Augen geführt bekommen. Zukunft ist nicht planbar!
Doch noch ein paar Worte zu Bangkok. Schon immer liebten wir diese Stadt. Sie ist ein Moloch, laut, hektisch und voller Smog, doch sie ist auf ihre Art faszinierend. Nirgendwo sonst haben wir so ein Miteinander von Moderne und Tradition erlebt. Oben die verspiegelten Wolkenkratzer, blinkende Werbetafeln und der schwebende Skytrain und unten die Garküchen, buddhistischen Mönche in ihren Tempeln und die quirligen, lustigen Thais, die ihre Zeit am liebsten laut palavernd und schmausend mit Freunden vor einer Garküche verbringen. Mal allein oder mit unseren Freunden unternehmen wir verschiedene Streifzüge durch die Stadt. Besuchen Nachtmärkte und einen gewaltigen Flohmarkt, der an einem Tag kaum abzulaufen ist. Unsere neuste Entdeckung ist die Halbinsel Phrapradaeng. Setzt man mit dem Boot über den Fluss findet man sich in einer grünen, von Kanälen und ursprünglichen Häusern durchzogenen Oase wieder, die wir mit einem Leihrad erkunden. Hier kann man endlich mal wieder durchatmen, denn langsam wird uns die Großstadt doch zu viel.
Also Nägel mit Köppen, wir buchen Flüge nach Deutschland für Anfang April, wollen uns zuvor aber noch eine ganz besondere Auszeit geben. Wir buchen uns in ein buddhistisches Kloster auf der Insel Koh Samui ein, ein Schweigekloster wohlgemerkt. Hier wollen wir eine Woche schweigen und meditieren. Also schwingen wir uns in den Nachtzug nach Südthailand und setzen am Morgen darauf mit der Fähre nach Koh Samui über. Ein gutes Gefühl, denn irgendwie vermissen wir das Seeleben! Ein paar Tage später machen wir uns auf den Weg zum Kloster, wir sind aufgeregt und ein bisschen mulmig ist uns schon. Ein straffer Zeitplan steht uns bevor. Jeden Morgen aufstehen um 4:30, dann den ganzen Tag Meditation, lediglich unterbrochen von einer Stunde Yoga, 2 mal 30 Minuten Unterweisungen in Meditationstechniken und Buddhismus und zwei Mahlzeiten, die letzte um 11:30. Sprechen ist nicht erlaubt, auch kein Lesen und natürlich kein Internet, man sollte sogar allzu häufigen Augenkontakt vermeiden. Geschlafen wird ab 21:00 in einem Bett aus Holz mit lediglich einer Bastmatte drauf. Werden wir das durchhalten oder jeden Abend hungrig mit schmerzenden Knochen auf unserem Holzbett liegen und unsere Entscheidung bereuen? Das Gegenteil ist der Fall! Zunächst einmal sind wir überrascht darüber, wie viele weitere Ausländer sich in dem Kloster einfinden. Mit uns sind knapp 100 weitere da, aus aller Welt und in allen Altersgruppen. Ungefähr ein Drittel wird während der Woche aufgeben, doch wir halten problemlos durch. Wir genießen die Woche! Hat man sich einmal an den ziemlich merkwürdigen Umstand gewöhnt umgeben von Leuten zu sein, aber trotzdem nicht zu kommunizieren erlangt man nach und nach einen Zustand von unglaublich tiefer Ruhe und Entspannung. Interessanterweise ein Zustand, den wir auch von mehrwöchigen Überfahrten mit unserem Boot kennen. Keine äußeren Einflüsse lenken einen in der klösterlichen Umgebung ab. Kein Verkehr, keine Hektik, keine Medien und absolut keine Gespräche die unsere Aufmerksamkeit fordern. Die Meditationen sind schwierig, es ist gar nicht so leicht die Gedanken zu beruhigen. Wie eine wilde Affenhorde kreisen sie manchmal durch den Kopf, doch dank verschiedener Techniken und der ruhigen Atmosphäre gelingt auch das immer besser. Auch die in Englisch gesprochenen Unterweisungen sind spannend, interessanterweise ist der Lehrer ein deutscher Mönch. Er hat vor etlichen Jahren seinen gut bezahlten Ingenieursjob an den Nagel gehängt, ist nach Thailand ausgewandert und hat sich dem Buddhismus zugewandt. Jetzt gibt er unbezahlt Unterricht, denn die Woche im Kloster ist kostenlos, jeder kann am Ende so viel spenden wie er mag und kann. Der Lehrer scheint sein aktuelles einfaches Leben sehr zu genießen und unterrichtet mit viel Spaß und Humor. Passenderweise ist auch im Buddhismus ein wichtiges Thema, den Fokus des Lebens auf den Augenblick und nicht auf die Vergangenheit und Zukunft zu legen. Es heißt, nicht an der Vergangenheit oder den Zukunftsplänen zu hängen und achtsam mit der Gegenwart umzugehen. Das bekommen wir dann gnadenlos vor Augen geführt!
Als wir nach einer Woche das Schweigen brechen dürfen, genießen wir es zunächst, uns wieder unterhalten zu dürfen. Wir haben das Schweigen bis auf ein paar heimliche Blicke und je einen kleinen Zettel strikt eingehalten. Unsere Smartphones mögen wir noch nicht so richtig anwerfen, uns schwant nicht Gutes. Um uns herum wird es immer unruhiger, eine Russin bricht gar in Tränen aus. Die Welt, aus der wir vor einer Woche ausstiegen, ist eine andere geworden und unsere Zukunftspläne verpuffen wie Seifenblasen. Ausgangssperren, gestrichene Flüge, überfüllte Krankenhäuser, gestrandete Touristen, der Virus ist allgegenwärtig geworden und Gesprächsthema Nummer Eins. Wir bleiben dennoch gelassen und beschließen, das Ganze erstmal in Ruhe zu betrachten, die Woche im Kloster hat ihre Wirkung getan. Wir beschließen abzuwarten und nicht, wie viele andere Ausländer, so schnell wie möglich nach Hause zu fliegen. Hier in Thailand ist es noch relativ entspannt, doch auch das wird sich schrittweise ändern. Innerhalb von einer weiteren Woche werden unsere Flüge gestrichen und der Ausnahmezustand in Thailand ausgerufen. Mittlerweile ist die Insel abgeriegelt und es gibt keine Transportmöglichkeiten nach Bangkok mehr. Unser Hotel wurde auch geschlossen, allerdings nur für Neuankömmlinge, wir dürfen bleiben so lange wir wollen. Klingt heftig, aber uns geht es gut! Wir sind zwar eingesperrt auf einer Insel, aber alle Versorgungsmöglichkeiten funktionieren wie zuvor und es gibt gerade mal sechs erkannte und isolierte Fälle auf der Insel. Wir können uns frei bewegen, der Strand ist nicht weit und die Umgebung wunderschön. Unser sehr schön, mit viel Liebe gestaltetes Hotel in der Natur ist zwar zu, aber die extrem freundlichen französischen Besitzer haben den eh schon günstigen Preis noch weiter heruntergesetzt und wir dürfen jetzt auch die Küche mitbenutzen. Die thailändische Regierung hat die Visabestimmungen so geändert, dass „Hängengebliebene“ bleiben können bis sich die Lage beruhigt. Sobald die „Emirates“ wieder fliegt, können wir umbuchen wie wir lustig sind. Warum also nicht hierbleiben und abwarten, statt in eines der momentanen Epizentren Europa zu fliegen? Uns packte auch mal kurz die Panik, was passieren könnte, und wir waren kurz davor, Hals über Kopf nach Deutschland zu fliegen. Doch wir haben uns wieder daran erinnert aufmerksam den Augenblick zu betrachten, keine möglichen Szenarien in die Zukunft zu malen und sind geblieben. Irgendwie haben wir das Gefühl das Richtige getan zu haben. Wir bedauern eigentlich nur, dass das Wiedersehen mit unseren Freunden und der Familie noch warten muss. Ihnen gilt auch unsere größte Sorge in dieser verrückten Zeit.
Liebe Freude und Leser in der Welt, wir wissen, dass viele von euch in den unmöglichsten Zuständen irgendwo in der Welt feststecken. Wir wünschen Euch Kraft, das Ganze durchzustehen und bleibt gesund!
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Ach, Ihr Lieben – schön, dass Ihr noch da seid – Thailand… ich musste komischerweise an die Hosen denken, die Ihr den Krümelmonster_Kindern mal mitgebracht hattet. Wo waren die her? Indonesien?
Liebe Grüße aus dem österlichen Deutschland – ommmmmm
Jule und Karoline
Liebe Jule! Wie schön, von Dir zu hören! Die Hosen waren aus Bangkok damals. Daran habe ich dort auch oft gedacht. Liebe Grüße and Dich und Karoline