Wir schaukeln dahin im schier grenzenlosen Nordpazifik, der Passatwind hat uns wieder und schiebt uns beständig Richtung West. Noch ungefähr 1500 Seemeilen vor uns liegt unser nächstes Ziel: Saipan in den nördlichen Mariannen, in unserem Kielwasser das geschäftige Majuro in den Marshall Islands und fünf unglaublich bewegende Wochen. Wir segeln nicht mehr auf INTI, sondern auf der wunderschönen Colin Archer „Robusta“ von unseren Freunden Anja und Thomas. INTI ist in Majuro geblieben, unser Zuhause in einem der intensivsten Abschnitte unseres Lebens! Hier in Majuro haben wir ihre Überführung aus Fiji beendet und sie an die neuen Besitzer übergeben. Sieben Jahre haben wir mit INTI verbracht, davon über sechs Jahre nahezu ununterbrochen auf ihr gelebt. Über zwanzigtausend Seemeilen liegen in unserem Kielwasser, mehr als zwanzig verschiedene Länder haben wir bereist. Raue Küsten, paradiesische Südseeatolle, karge Eilande, Karibikträume und die dichte Vegetation Süd- und Mittelamerikas. Auf ihr haben wir die Nord- und Ostsee durchsegelt, den Atlantik und nahezu den ganzen Pazifik überquert, Flauten und Stürme erlebt, Naturgewalten gespürt. Nicht nur äussere Horizonte und Grenzen haben wir auf ihr durchfahren, sondern auch unsere inneren. Grenzen durchstossen und kennengelernt, gedankliche Horizonte erweitert, uns selbst kennengelernt, Träume erlebt aber auch platzen gesehen, unendlich viel Spass und Glück aber auch Tiefpunkte und harte Zeiten erfahren. So viele Menschen aus den verschiedensten Kulturen haben wir getroffen, die uns immer wieder den Spiegel vorgehalten und uns zwangsläufig zur Selbstreflexion geführt haben. Dazu all die Aussteiger auf allen erdenklichen Bootstypen. Millionäre, Rentner, Familien und Lebenskünstler. Menschen mit den unterschiedlichsten Lebenswegen und Lebensläufen, die vor allem eines eint: das Segeln und ein einfaches Leben mit der Natur, weit weg von all den Zwängen unserer heimischen Leistungsgesellschaft.
So kullern natürlich dicke Tränen aus unseren Augen als wir INTI verabschieden, die uns so ans Herz gewachsen ist. Doch wir freuen uns auch auf das, was kommen wird, frei zu sein für neue Schritte, denn so ein Boot braucht auch viel Aufmerksamkeit und Pflege. So genau haben wir noch nicht definiert was kommen wird, dazu müssen wir erst einmal zur Ruhe kommen, zu wirr und emotional war die letzte Zeit. Jetzt sind wir erst einmal zwei bis drei Wochen ununterbrochen auf See, trotz Geschaukel und durchwachter Nächte immer eine Zeit der Tiefenentspannung für uns. Zeit runter zu kommen und neue Pläne zu schmieden, Zeit, den Abschiedsschmerz von INTI zu verdauen.
Sehr viel leichter gemacht uns von INTI zu trennen haben es ihre neuen Eigner Patty und Michi, ein junges deutsches Paar das in Majuro lebt und arbeitet. Es war schön zu sehen wie sehr sie sich über das Boot gefreut haben! So verbringen wir viel Zeit miteinander, gehen Detail für Detail durch, üben Öl- und Filterwechsel, Wassermacherwartung und Rostkloppen, machen intensives Segeltraining. Wenden, Halsen, Reffen, Mann über Bord, Anlegen an der Boje….so viele Manöver wie in den letzten fünf Wochen sind wir zuvor im gesamten letzten Jahr nicht gefahren! Wir haben viel Spass miteinander und wissen INTI mehr und mehr in guten Händen. Wir sind gespannt auf die neuen Abenteuer die sie mit den beiden erleben wird!
Aus dem Bootsverkauf entwickelt sich eine richtige Freundschaft, die Beiden kümmern sich herzlich um uns. Sie führen uns in eine lustige, bunte Clique aus Ausländern und Einheimischen, die in Majuro leben, arbeiten und sich regelmässig treffen, ein. Aus über dreizehn verschiedenen Nationalitäten besteht diese Gruppe, Mitarbeitern von GIZ-, Weltbank- und Uniprojekten, Ärzten, Krankenschwestern und Lehrern, Schweissern und Hubschraubermonteuren. Aus Deutschland und der Schweiz über Kolumbien und Fiji bis nach Taiwan und der Mongolei ist alles dabei, ausgelassen feiern wir Weihnachten und Sylvester mit ihnen.
Viele unserer neuen Freunde wohnen in einem grossen Wohnblock, in den auch wir für zwei Wochen einziehen, da eine japanische Freundin nach Hause fliegt und uns freundlicherweise ihre Wohnung überlässt. So haben wir Platz uns auszubreiten, nach und nach unsere persönlichen Dinge aus INTIs Bauch zu räumen und zu sortieren. Ein riesiges Paket geht zum Postamt und kommt hoffentlich irgendwann in Deutschland an, auf die „Robusta“ nehmen wir nur zwei Rucksäcke, Tauchzeug und die Gitarre mit. Langweilig wird das Landleben nicht, regelmässig kochen wir mit unseren neuen Nachbarn und Freunden. Sogar ein richtiges Weihnachtsmenü mit Schweinebraten, selbstgemachten Rotkohl und Semmelknödeln kriegen wir mit unseren deutschen Nachbarn zusammengebastelt! Immernoch geht es täglich mit den neuen Besitzern zum INTI-Training. Auch müssen wir mehrfach in die Botschaft der USA, werden interviewt, müssen Passfotos machen, endlose Formulare ausfüllen und Dollares abdrücken. Saipan gehört zu ihrem Staatsgebiet und laut US-Vorschrift reist man mit dem Segelboot nicht als normaler Tourist ein, sondern braucht das aufwendige B1/B2 Visum. Als es dann endlich fertig ist spuckt der Drucker Capitanas Visum aus und bricht danach zusammen, Smutje muss sich noch ein paar Tage gedulden, Island Time gilt auch in dieser sonst eher an eine Festung erinnernde Botschaft.
Dann heisst es auch schon proviantieren, vorbereiten und tanken auf der Robusta, zwei bis drei Wochen auf See mit vier Personen brauchen doch ein bißchen mehr. So fliegen fünf Wochen im Majuroatoll nur so an uns vorbei und es heisst Abschied nehmen. Abschied von unseren vielen neuen Freunden und unserem alten Zuhause INTI. Wir besteigen die Robusta, legen elegant unter Segeln von der Mooring ab, opfern Neptun, Rasmus und der guten alten INTI einen ordentlichen Schluck Rum, holpern hart am Wind durch den kabbeligen Pass und gleiten in den tiefblauen Pazifik. Hinaus in die See, hinein in einen neuen Lebensabschnitt!
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Ich kann es garnicht glauben, dass ihr schon sechs Jahre unterwegs seid, unfassbar……..So lange hab ich immer gespannt euren Erlebnissen gelauscht. Bin gespannt wo es euch hinziehen wird, wo….wenn überhaupt ihr euch niederlassen werdet.
Aber welcher Ort es auch sein mag, er wir um ein echt tolles Paar reicher werden. Weiterhin alles Gute euch beiden ❤️
Ihr Lieben,
das hätte ich nie gedacht, daß Ihr mal Eure INTI verlasst und sogar verkauft!! Aber schon fast unheimlich in was für liebe und tolle Hände sie nun gekommen ist. Das ist doch auch ein gutes Gefühl!
Nun ist ein langes Kapitel, ja, wenn nicht ein ganzes Buch, ein ganzer Band, Eures Lebens beendet ist. Was habt Ihr nicht alles erlebt!! Und wir haben es gerademal bis nach Sardinien geschafft. Aber so ist das mit den Menschen – jeder geht seinen Weg und bewältigt, was er gerade schafft oder wofür er gerade bestimmt ist.
So wünschen wir Euch für das neue Kapitel/den neuen Band einen tollen Anfang, einen spannenden , langes Mittelteil und ein nicht zu erwartendes, weit entferntes Ende.
Lasst es Euch gut gehen, viele Drücker und Grüße von Stefanie & Kosta mit Hund Teddy z.Zt. am Gardasee.
P.S.: Wir denken immer noch an unsere lustigen und schönen Abende in Portimao mit lecker Muscheln und Wein mit Euch. *schnüff*