Unser Leben ist wie ein Meer, in dem wir schwimmen. Wir können entscheiden, ob wir kämpfen und kämpfen um an ein Ziel zu gelangen oder uns einfach einmal treiben lassen. Und wenn wir uns treiben lassen, kommen die schönsten Dinge manchmal von ganz alleine. Elias Raatz
„I-Matang, I-Matang“ schallt es uns entgegen, dutzende Kinder rennen auf uns zu, wollen unsere Hände abklatschen, strahlen uns mit leuchtenden Augen an. I-Matang ist das Wort für Ausländer in Kiribati, eigentlich heisst es auch „Englisch“, denn bis vor noch nicht allzu langer Zeit dachten viele der I-Kiribati (der Name der Einheimischen) dass alle Weissen englisch sprechen. Es gibt noch so einige weitere schräge Wortkonstrukte, die uns schmunzeln lassen, beispielsweise „komhere“ für Hund. Wahrscheinlich haben die ersten englischen Besucher mit Hunden immer „come here“ hinter ihren ungezogenen Kötern hinterher gebrüllt. Viele Ausländer gibt es nicht in Kiribati und auf Abaiang noch viel weniger, umso grösser ist die Freude, wenn mal ein Bleichgesicht vorbei schaut.
Hier können wir uns vom trubeligen Tarawa erholen, können bedenkenlos in das türkisblaue Wasser springen, welches hier nicht mit Kolibakterien verseucht ist. Und ganz besonders leicht machen es uns auch Lisa und Nick, ein Schweizer, der mit einer I-Kiribati zusammen ist, die auch lange in der Schweiz gewohnt hat. Sie haben sich hier niedergelassen und sich ein gemütliches Refugium gebaut, direkt am Wasser. Jeden Abend treffen wir uns auf ihrer Terrasse, kratzen zusammen, was die Bilge noch hergibt um ein Mitbringsel zu kochen. Zusammen mit den Köstlichkeiten aus ihrem Kühlschrank haben wir die herrlichsten Abendessen, und die Krönung: ein original Schweizer Käsefondue (Capitanas erstes überhaupt) bei 30 Grad mit viel Knoblauch, Lachen und guter Stimmung!
Unsere Freunde von der Robusta haben ihnen aus Fidschi eine neue Batterie für ihren Quad mitgebracht. Leider war es nicht das einzige Problem, doch nach tagelanger Tüftelei von Nick, Smutje und Thomas läuft das Teil wieder. Die Benzinpumpe war total mit vergammeltem Sprit verklebt, doch Mc-Gyver Thomas kocht sie einfach mehrfach in Entfetter aus und bringt sie wieder zum Laufen! Ein Anhänger wird installiert und so düsen wir zu sechst auf der einzigen Strasse über das Atoll. „Mauri, I-Matang, Mauri, Mauri!“ Überall springen Menschen aus dem Palmenwald und zeigen breit lächelnd ihre weissen Zähne und freuen sich ungemein über diesen lustigen Transport, der da über ihre Insel zockelt.
Unvergesslich auch eine Tanzveranstaltung in einer Maeva, einem der vielen Gemeinschaftshäuser in denen sich die Dorfgemeinschaften treffen, um alltägliches zu besprechen, das hier schwer angesagte Bingo zu spielen, Feste zu feiern oder sich auch einfach nur zum Schlafen nieder zu legen. Wir sind die einzigen Bleichgesichter und werden vom Moderator der Show persönlich vorgestellt, anschließend geben die vier Tänzerinnen ihr Bestes. Ein Lautsprecher scheppert, Hüften schwingen, Baströcke schwirren durch die Luft und die Gemeinde freut sich. Sie hat Geld gesammelt dafür, dass die Tänzerinnen auch auf andere Inseln fahren können, um ihre Show zu präsentieren, morgen geht es los auf die Nachbarinsel. Auf einer Matte sitzen wir auf dem Boden und bewundern die anmutigen Tänze. Manchmal kommt eine Kinderhand angekrabbelt, die unsere weisse Haut anfassen möchte, die Münder stehen weit offen und das Lächeln kommt spontan zurück. Grössere Hände klopfen uns auf die Schulter, Smutje hält einen Schnack mit dem Moderator und Vorsteher der Gemeinde, auch hier sind wir herzlichst Willkommen! Am Ende müssen wir sogar noch mittanzen, steifhüftig bringen wir die Dorfgemeinschaft zum Lachen.
Mit einem Lachen geht hier alles, es wird gern und viel gelacht! Auch bei einer Einladung des Moderators, bei ihm, seiner Familie und der Gemeinde zu essen. Es wir lecker aufgetischt und jede unserer Bewegungen verfolgt. Kokosnüsse, Fisch, Muscheln und die gekochten Früchte der Pandanus-Palme. Die Ukulele und Gitarre werden ausgepackt, alle singen mehrstimmig und wunderschön. Wir haben noch zwei Babiebodies in unserem Schrank gefunden, und sofort wird ein kleiner Junge in einen knallig pinken Body gewandet. Auf einmal sprechen uns deutsche Worte an?! In Kiribati gibt es ein deutsches Ausbildungszentrum für Seemänner und so treffen wir auch hier zwei Männer, die auf deutschen Frachtern unterwegs waren. Sie kennen sogar Bremen und geraten ins Schwärmen.
Die Tage plätschern dahin auf dieser einzigartigen Insel, in der die Zeit irgendwie stehengeblieben zu sein scheint. Weit weg scheinen die Probleme vom so gebeutelten Nachbaratoll Tarawa. Lisa und Nick laden uns ein das Atoll weiter zu erkunden und so düsen wir in ihrem Auslegerboot über die Lagune und besuchen die verschiedenen Inseln. Abgeschlossen wird der Ausflug mit einem wunderbaren Essen bei Derrick, einem Engländer, der sich hier vor vierzig Jahren niedergelassen hat. Vor seinem Grundstück schaukelt die „Goti“, ein Boot, mit dem wir eine lustige Zeit in Französisch-Polynesien verbracht haben. Wir erfahren dass Ulf, der norwegische Käptn, sich hier in eine I-Kiribati verliebt hat, ein Kind bekommen und mit ihr nach Norwegen gegangen ist, das Boot gehört jetzt Derricks Schwiegersohn. Wie klein ist doch die Welt manchmal….
Nun heisst es aber auch mal typisch Kiribati auszugehen und das macht man in einer der vielen Kavabars. Das berauschende Getränk aus der Kavawurzel gehört zwar nicht zur Kultur Mikronesiens, wird aber äußerst erfolgreich importiert. Und so finden wir uns in einer schummerigen Bar mit Billard und DJ wieder und schlürfen das modderige beruhigende Getränk. Aus der wild blinkenden Anlage scheppert Kiribatipop, ansonsten herrscht schläfrige Tiefenentspannung. Als allerdings Lisa und die Capitana ausgelassen das Tanzbein schwingen erwacht die Kavacrowd und spendet ordentlich Applaus.
Nach zwei Wochen und einigen weiteren wunderbaren Abenden mit Lisa und Nick heisst es aber leider wieder Abschied nehmen von dieser wunderbaren Insel, die uns einen so intensiven Blick in das ursprüngliche, mikronesische Leben ermöglicht hat. Unser Visum läuft aus und wir müssen zurück nach Tarawa zum Ausklarieren und uns auf unseren letzten Sprung nach Majuro vorbereiten.
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