Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin, und niemand ginge, einmal zu schauen, wohin man käme, wenn man ginge. Kurt Marti
Harte Zeiten. Kann es die überhaupt geben in dieser einzigartigen Umgebung in der wir uns gerade befinden? In der unglaublichen Schönheit der pazifischen Inseln, mit seinen so offenherzigen und freundlichen Menschen? Menschen für die Stress, Depressionen und Zukunftsängste Fremdwörter zu sein scheinen. Ist es wirklich so? Diese Frage stellen wir uns immer wieder, können es nicht wirklich glauben und versuchen hinter die Kulissen zu schauen. Klar sind auch dort Probleme zu finden, aber irgendwie wird diesen hier gelassener begegnet, wird der Moment hingenommen und positiv in die Zukunft geschaut.
Unsere Blogberichte waren ja fast durchgehend positiv geprägt, und wir konnten nie klagen oder uns beschweren. Stets sind wir als Fremde in den von uns bereisten Ländern mit offenen Armen aufgenommen worden, wir genossen nicht nur die unendliche Gastfreundschaft der pazifischen Inselbewohner, sondern auch die einzigartige Natur, den Reichtum im und unter dem Wasser. Unser Boot erschien uns nie zu klein, denn der Ausblick war stets der weite Horizont.
Doch nun scheint unsere Reise auf der INTI ein Ende nehmen zu wollen, unser Plan, in Neuseeland Geld zu verdienen ging nicht auf, technische Probleme und wilde Wetterprognosen wollten uns einfach nicht dorthin lassen. Zwei gut bezahlte Jobs platzen in letzter Minute. Artikel wollen sich einfach nicht verkaufen… Es ist wie verhext, nichts will klappen. Und in Fidschi Arbeit finden? Das ist rechtlich schwierig und unglaublich schlecht bezahlt. Auch gibt es hier viele Einheimische, die die Bootsjobs nötig haben und denen wollen wir definitiv nicht die Butter vom Brot stehlen.
So fangen wir langsam an zu jammern, sehen nur noch uns und unsere Situation, diskutieren Lösungen, verharren in Starre oder geraten uns in die Haare, werden, wie noch nie auf dieser Reise, krank, sind empfindlich geworden. Aber STOP! Das ist ja nun wirklich Jammern auf hohem Niveau, und das müssen wir uns tagtäglich vorbeten, denn es kann doch viel schlimmer kommen. Wir müssen nicht frieren, wir müssen nicht hungern und wir haben palmengesäumte Strände vor uns. Hätten wir einen Garten bräuchten wir in dieser Umgebung nur einen Samen auf die Erde zu schmeissen, er würde prächtig gedeihen, ein paar Fische und schon wären wir satt. Auf dem Gemüsemarkt sind wir bei allen Ständen bekannt, werden mit grossen Hallo begrüsst oder vermißt, wenn wir mal ein paar Tage auf die anderen Inseln fahren und jeder weiß auch schon, was wir hier immer kaufen. Ein Schnack hier, ein Schnack da. Wir fühlen uns wieder einmal Zuhause und kein bißchen fremd in der Fremde.
Trotzdem läßt es sich nicht verleugnen, dass wir ohne Geld nicht leben können. Zwar haben wir unsere Bedürfnisse extrem reduziert, leben mittlerweile bewusst minimalistisch, experimentieren mit Selbstversorgung, stellen jedes Luxusgut erst einmal in Frage. Aber ganz ohne geht es eben nicht, denn neben uns ist vor allem auch unser schwimmendes Heim hungrig. Braucht Ersatzteile, Farbe, vielleicht mal wieder ein neues Segel oder eine weniger rostige Ankerkette und in der Sturmsaison in Fidschi vor allem auch einen sicheren Hafen, der leider hier so einiges kostet.
Immer wieder gab es in den letzten Jahren mal hier mal da ein paar kleinere oder grössere Arbeiten, wir haben andere Boote repariert, sind Charter gefahren, haben geholfen, einen Ersatzteilladen im Mittelamerika aufzubauen, eine Imbissbude auf der Osterinsel gebaut und betrieben und gar mal ein Haus in Panama renoviert. Das hat uns immer wieder viel Spass gemacht, denn arbeiten in fremden Ländern bringt einen nochmal viel näher an das alltägliche Leben dort. Das reichte dann eine Weile, aber eben nicht nachhaltig. Über diesen Blog sind viele Spenden eingegangen und dafür sind wir sehr dankbar, denn auch die haben dazu beigetragen, dass wir dieses Leben immer noch eine Weile länger führen konnten. Doch leider gab es auch Schlappen, geplatzte Jobs, im Nachhinein falsch geplante Routen, Selbstüberschätzung oder Falscheinschätzung, was das Arbeiten in bestimmten Ländern angeht. Nun sind wir einmal um die halbe Welt gesegelt, aus geplanten drei sind ganze sechs Jahre geworden und wir sind unendlich froh und dankbar, dass wir gerade den Pazifik so intensiv erleben konnten. Diese abgelegenen kleinen Landkrümel im riesigem Blau, selten besucht und teilweise nur mit dem Boot erreichbar. Wir haben soviel gelernt von den Bewohnern dieser, der wilden Natur so ausgelieferten, Atolle, jeder Tag ist dort ein neuer und den gilt es zu schätzen. Schmerzhaft mussten wir auch sehen was unsere Industrienationen den Menschen dort antuen und so zwangsläufig unsere Lebensgewohnheiten hinterfragen. Die Luft und das Meer sind unglaublich klar dort, doch genauer betrachtet sehen wir angespülte Plastikberge, hören wir vom Rückgang der Fischbestände und steigendem Meeresspiegel. Der Klimawandel frißt die flachgelegen Inseln ohne das Zutun der Bewohner einfach auf oder es sterben die schützenden, fischhaltigen Riffe und nehmen ihnen die Lebensgrundlage. Schon von diesem Aspekt ist der Blick in eine Zukunft dort heutzutage kaum möglich, und die Inselbewohner nehmen die Veränderungen sehr genau wahr. Doch wir haben gerade auch hier in Fidschi Menschen kennengelernt, die diesem fast unaufhaltbaren Zustand Einhalt gebieten wollen, wir sehen den Kampfgeist der untergehenden Inselbewohner, es laufen Verhandlungen in Europa zu diesen Katastrophenszenarien und wir hoffen schwer, dass es hier Durchbrüche geben wird.
Doch unsere Katastrophe mindert das erst einmal nicht, wir haben uns schweren Herzens entschlossen, INTI zu verkaufen, es war ein langer, trauriger Prozess, doch wir müssen uns von unserem geliebten Zuhause trennen. Nun steht sie also zum Verkauf, die gutmütige INTI, so weit hat sie uns gebracht, einen nicht enden wollenden Berg an Erfahrungen, Begegnungen und Selbstreflexionen hat sie uns beschert. Nie wollen wir diese Zeit missen und doch heißt es am Ende immer Abschied nehmen. Und wie soll es weitergehen? Wir werden sehen. Zurück in die Leistungsgesellschaft wollen wir eigentlich nicht, mittlerweile haben wir so viele alternative Lebensentwürfe kennengelernt, dass uns das nicht als zwingend notwendig erscheint. Zudem haben wir etliche Freundschaften geschlossen, mit Menschen, die rund um den Globus leben und sagen: Hey kommt doch zu uns! Das Seeleben will uns auch noch nicht loslassen, aber eben nicht auf INTI, sondern auf einem anderen Boot, mit dem man auch mit einer Extrakabine etwas dazuverdienen kann. Manchmal träumen wir auch davon uns niederzulassen, mehr mit Selbstversorgung zu experimentieren. Es gibt viele Wege den INTItraum weiter zu führen, doch zunächst müssen wir uns ersteinmal von ihr trennen. Doch selbst das will nicht so richtig klappen, sie ist eben kein Plastikschiff von der Stange sondern ein sehr individuelles Schiff und so drücken wir zähneknirschend den Preis. Vielleicht „müssen“ wir doch noch weiter segeln um einen besseren Markt für INTI zu finden, doch in Australien und Neukaledonien ist der Verkauf wegen diverser Regularien und Einfuhrzöllen schwierig. Strahlend blickt sie auf jeden Fall ihrer Zukunft entgegen, denn wir haben ihr einen komplett neuen Anstrich verpasst, die lange Marinazeit genutzt, sie mal wieder richtig aufzuhübschen.
So erleben wir eine harte Zeit, doch wir versuchen dennoch, die Schönheiten des Moments zu geniessen und positiv nach vorn zu blicken. So ist das Leben nun einmal und harte Zeiten haben wir auch in Deutschland erlebt. Nicht nur deshalb sind wir bewusst aus unserem behüteten Leben ausgestiegen, haben all die angeblichen Sicherheiten zurückgelassen und sind einfach aufgebrochen, Zukunft offen. So einen Traum zu leben bedeutet nicht nur leben auf der Sonnenseite sondern auch harte Arbeit an sich selbst und sich bewusst mit den täglichen Unsicherheiten auseinander zu setzen. Das kann sehr gut tun, aber eben auch mal hart sein. Unendlich viel gelernt haben wir, über uns, unsere wirklichen Bedürfnisse und von all den Menschen denen wir unterwegs begegnet sind. Und so soll es weitergehen, ob auf See oder irgendwo zurück an Land. Wer weiss, vielleicht tut sich ja im letzten Augenblick doch noch eine Gelegenheit auf, INTI zu behalten, wie so oft in den letzten Jahren. Dann geht es weiter Richtung Asien! Wir werden auf jeden Fall weiter auf radiopelicano berichten, wohin auch immer die Reise gehen wird.
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Manno, das sind ja schwerwiegende Nachrichten. Wie viele Diskussionen sind dem wohl vorausgegangen? Aber ihr habt sechs Jahre voll mit prallen Erinnerungen und wir glauben, ihr habt gezeigt, dass da auch Kraft, Fantasie und Initiative für eine spannende und bunte Zukunft vorhanden sind. Wir drücken die Daumen für die Kursänderung . Schön, dass wir wohl das eine oder andere erfahren werden. Liebe Grüße aus Bremen für euch beide und INTI !
Meine liebe claudine, ihr könnt sooooooooo unendlich stolz darauf sein, wie weit und an welch tolle Orte euch eure INTI gebracht hat…ich weiss, abschied nehmen ist immer schwer ( auch der abschied von dir war schmerzlich )…aber es gibt für alles seine Zeit und es werden sich neue türen öffnen, da bin ich mir ganz ganz sicher😍…auch wenn man machmal nicht weiss, wie es weiter gehen wird…es geht immer weiter!!!!!!
Auf alle Fälle bin ich in Gedanken bei dir und so wie ich dich kenne, wird sich was tolles neues ergeben…
Fühl dich ganz dolle gedrückt und einen lieben gruss aus der Heimat😘😘😘
Mensch du, 6 Jahre – da war Karoline viereinhalb und ich gerade dabei mein Leben mit einem Studium umzukrempeln….unvorstellbar…jetzt bin ich fertig – bzw. alles fängt jetzt erst an – wie bei euch… ich glaube, mit all der psotiven Energie, die euch jetzt viele Leute schicken, da wird auf alle Fälle irgendwas Positives wachsen 🙂
allerliebste Grüße aus Berlin!
Jule und Karoline
PS: Neulich den Papa von Mildred getroffen; Baptiste vor einem Jahr mit Karoline in einem Chorprojek;t und mit Lotti war sie eine Weile tanzen… 🙂
Lieber Jona & Claudi, viel Glück in euren weiteren Schritte und hoffentlich findet ihr einen Weg den Inti zu behalten. Un abrazo enorme y buena onda en vuestro camino.