“Warum reist ihr mit einem Boot und nicht mit dem Campervan?“
Wieso eigentlich Reisen auf einem Segelboot? Ist Segeln nicht eher ein Sport oder ein Wochenendvergnügen? Gute Frage, aber sind wir mal ehrlich, viele Langfahrtsegler haben ein Boot als Mittel zum Zweck und nicht aufgrund des Segelsports. Klar segeln wir aus Leidenschaft, aber zum sportlichen Segeln würden wir doch eher mit einem schnittigen Regattasegler durch hartes Wetter sausen und nicht auf einem über vierzig Jahre alten Stahlpott um den Erdball cruisen.
Immer wieder bekommen wir von Lesern die Frage gestellt, wieso wir eigentlich mit einem Segelboot reisen. Wäre es nicht viel einfacher mit dem Rucksack oder Campervan? Ist das Seglerleben nicht total teuer und exklusiv? Wie lebt es sich eigentlich auf so einem schaukelnden kleinen Zuhause, seid ihr nicht ständig seekrank? Ich würde gerne mal einen Ozean oder abgelegene Orte bereisen, aber das ist doch gefährlich!? Wie seid ihr eigentlich darauf gekommen, genau so eine Reise zu machen?
Wir haben uns daher entschieden, unsere Motivation und die Erfahrungen der letzten Jahre einmal aufzuschreiben. Kurz vorweg, wir haben zwei Jahre Vorbereitung gebraucht, sind sechs Jahre mit vielen Schlenkern von Berlin bis zu den Marshallinseln gekommen und haben eine unglaublich intensive Form des Reisens erlebt.
In einer Nussschale über die Ozeane? Was ist eigentlich der Vorteil, mit einem Segelboot zu reisen?
Wir sind immer viel gereist, mal eine paar Tage, mal ein paar Monate, je nachdem wieviel Zeit wir uns nehmen konnten. Pauschal oder organisierte Reisen waren nie unser Ding, wir wollen flexibel und möglichst nah an den Ländern und ihren Menschen reisen. Also waren wir mit dem Rucksack unterwegs, mit dem Flieger, Bussen, Zügen, auf klapprigen Busdächern in Indien oder manchmal auch auf den Rücken von Pferden oder Kamelen. Wir haben es geliebt, aber auch immer wieder festgestellt, wo die Grenzen des Rucksackreisens liegen.
Letztendlich kommt man nur dorthin, wo ein Verkehrsmittel hingeht, der Rucksack bietet nur wenig Platz und man braucht immer irgendwo eine Unterkunft oder zumindest die Möglichkeit, seine Hängematte oder sein Zelt aufzubauen. Da wir keine Urlaubsreise planten, sondern so lang wie möglich auszusteigen, ein Nomadenleben zu führen, unser Glück irgendwo anders zu versuchen, wo es uns gefällt, musste ein eigenes bewegliches Zuhause her. Eines, das uns an Orte „off the beaten track“ bringt und genug Platz zum Leben und Arbeiten bietet. Warum also kein Campervan? Damit kann man doch wenigstens nicht absaufen und rechts ranfahren, wenn man die Schnauze voll hat! Alles richtig, aber drei Punkte sprechen bei uns trotzdem für das Segeln.
Drei Vorteile des Reisens mit einem Segelboot
Im direkten Vergleich zum Reisen mit dem Campervan sehen wir drei zentrale Vorteile:
1. Mit dem Campervan kommt man nur dahin, wo auch eine Straße hinführt. OK, mit dem Boot kommt man auch nur dorthin, wo Wasser ist, aber unsere Traumziele liegen am Meer.
2. Ein Campervan braucht Treibstoff, um voranzukommen, der wird immer teurer und ist auch ökologisch nicht besonders sinnvoll.
3. Einige Länder sind nicht so einfach mit dem Campervan zu erreichen oder zu durchqueren, da sie entweder keine Straßen haben oder komplizierte Einfuhrprozesse erfordern.
Einige Nachteile gibt es aber auch
Nachteile, die die vermeintlich grenzenlose Freiheit des Seglerlebens einschränken, gibt es natürlich auch. Sicheres Reisen mit dem Boot erfordert mehr Vorbereitung, als einfach den Rucksack aufzuschnallen oder den Zündschlüssel zu drehen. Die Technik auf dem Boot muss funktionieren und von der Crew beherrscht werden. Die Crew an sich muss miteinander arbeiten können, schnelles Handeln ohne Diskussionen zur falschen Zeit muss selbstverständlich sein. Vor langen Passagen wie Ozeanüberquerungen ist es wichtig, Material gut auf seinen Zustand zu überprüfen, um keine bösen Überraschungen zu erleben.
Das Wetter kann einen schnell mal für längere Zeit an einem Ort festhalten. Ein Segelboot braucht schlicht und einfach Wind, um von der Stelle zu kommen. Wenn möglich nicht zu viel oder zu wenig und auch bitte aus der richtigen Richtung! Im Vergleich zum Reisen mit dem Campervan ist die Planung eine ganz andere, manchmal ist man vom Wetter eingebremst und deshalb sind Ziele nicht so leicht erreichbar. Das erfordert Flexibilität, was für uns nicht unbedingt ein Nachteil ist.
Dann gibt es auch noch weitläufige Gebiete auf dem Globus, die zu bestimmten Jahreszeiten garnicht bereist werden können. Dort fegen zu dieser Zeit Taifune, Hurrikane oder Zyklone durch, das sichere Ende für ein Segelboot auf See. Leider liegen diese Gebiete immer in den schönen Tropen… Aber halb so wild, gefährlich ist es nur in den jeweiligen Sommermonaten, also ungefähr die Hälfte des Jahres und das Ganze ist gut dokumentiert und planbar.
Ist eine Reise mit einem Segelboot gefährlich?
Sind wir also beim Risiko, ist es denn wirklich so gefährlich, mit einem Segelboot zu reisen? Ich würde behaupten es klingt gefährlicher als es ist. Wenn man verantwortungsvoll und mit Respekt an die Sache herangeht ist es ungefährlicher, als über Land zu reisen oder, wie wir viele Jahre davor, auf seinem Fahrrad durch Berlin zu radeln. Man erlebt selten unglückliche Überraschungen durch andere Verkehrsteilnehmer, denn weit draußen gibt es kaum noch Ozeandampfer, Fischer und andere Segler und die hat man mit etwas Aufmerksamkeit gut im Blick. Dass das Boot technisch gut in Schuss sein sollte, setze ich einfach einmal voraus, damit hat jeder sein Schicksal weitgehend selbst in der Hand.
Bleibt noch das Wetter, viele haben bei einer Ozeanüberquerung sofort haushohe Wellen und sturmgepeitschte See vor Augen. Da gibt es natürlich gerade in Zeiten des Klimawandels keine hundertprozentige Sicherheit, es gibt aber viele Quellen und Möglichkeiten, sich auf das Wetter vorzubereiten. Generell ist die Wahrscheinlichkeit, einen Sturm abzubekommen sehr gering, wenn man sich zu bestimmten Saisons in den passenden Regionen aufhält. Die sogenannte „Barfußroute“ geht genau so einmal um die Erde, von einer optimalen Saison zur nächsten. Darüber gibt es umfangreiche Führer und Ratgeber. Auch die aktuellen Wettervorhersagen werden immer detaillierter und es gibt mittlerweile verschiedene Möglichkeiten, diese auch unterwegs abzurufen. Ein Restrisiko bleibt natürlich immer, aber ein bisschen Abenteuer wollen wir ja auch erleben, oder?
Na, angesteckt? Lust, einmal in das Fahrtenseglerleben reinzuschnuppern? So könnt ihr euch vorbereiten!
Den Anstoß für so eine Reise haben bei uns ganz klar Bücher und Blogs von ehemaligen und aktuellen Fahrtenseglern gegeben. Viele teilen darin ihre Erfahrungen und Erlebnisse sehr detailliert. Eine Auflistung von Empfehlungen findet ihr in unsere Bücherliste. Will man in Deutschland starten, werden ein paar Scheine benötigt, und zwar der Sportbootführerschein See (SBF See) und zum Betreiben des Funkgerätes das Short Range Certificate (SRC). Für die Fahrt durch Binnengewässer sind der Sportbootführerschein und Funkschein für Binnen erforderlich.
Klingt kompliziert? Ist es aber nicht! Ich habe mit dem Binnenschein angefangen, da, im Gegensatz zum SBF See, auch praktisch segeln gelehrt wird. Allerdings mit einer Nussschale auf einem See, aber wir fangen ja alle mal an. In den Segelschulen wird einem mit ziemlicher Sicherheit nahegelegt, dass man noch alle möglichen Extrascheine braucht, um so eine Reise machen zu können, auch in den Foren gibt es etliche Streitereien dazu. Ich möchte mich da raushalten, also nur die Fakten. Vorgeschrieben sind nur die genannten Scheine und die auch nur, wenn man einen Motor über 15PS hat bzw. ein Funkgerät im Boot betreibt, alles andere ist Zusatzwissen. Das kann helfen oder auch nicht, eine persönliche Entscheidung. Einen Motor über 15PS und ein Funkgerät für Notrufe wirst du aber mit ziemlicher Sicherheit auf deinem Fahrtenboot haben.
Wir haben viele Segler getroffen, die mit kaum praktischer Segelerfahrung gestartet sind. Unterwegs wird sich dann vorsichtig, mit offenen Ohren und viel „learning by doing“, alles Nötige raufgeschafft. Wir sind genau so gestartet.Ich habe zuvor noch den SKS-Schein gemacht, hauptsächlich, da wir noch kein eigenes Fahrtenboot hatten und man dort mal auf einer größeren Yacht fährt. Auch viele Charterfirmen setzen mittlerweile so einen Schein voraus. Daneben haben wir noch je einen Kurs zum Wetter, Medizin auf See und einfachen Motorreparaturen gemacht.
Das Thema Navigation, also wie finde ich eigentlich meinen Weg auf See, ist mit GPS sehr einfach geworden. Wir navigieren hauptsächlich mit dem iPad und fahren damit wie mit dem Navi im Auto. Vorausgesetzt die Technik funktioniert, aber da sind wir wieder bei den leider oft so unschönen Diskussionen in den Foren, aus denen ich mich lieber raushalte. Fakt ist, dass viele Segler so unterwegs sind, mal mit mehr mal mit weniger Ausweichsystemen, ob das sicher genug ist, muss jeder für sich entscheiden.
Sind wir auch schon bei der Praxis angelangt. Eine Yacht zu Chartern ist sicherlich eine gute Möglichkeit einmal zu schauen, wie wohl man sich auf einem Boot fühlt. Das ist dir zu teuer oder du bist noch zu unsicher, um das Ruder selbst in die Hand zu nehmen? Dann gibt es noch die, unter Seglern weit verbreitete, Methode „Hand gegen Koje“. Du bist die „Hand“, hilfst dem Käptn, sein Boot von A nach B zu bringen und bekommst dafür gegen Unkostenbeteiligung oder gar umsonst eine „Koje“ und darfst mitfahren. Viele Segler, die in allen Teilen der Welt auf Booten reisen und leben, bieten „Hand gegen Koje“ an, sei es für kurze Strecken in einem schönen Revier oder für lange Schläge über die Ozeane. Meiner Meinung nach eine gute Möglichkeit, mal in das Fahrtenseglerleben reinzuschnuppern, die Internetplattform „Hand gegen Koje“ hilft beim Vermitteln.
Dann gibt es da noch etliche Foren und Vereine, in denen man sich austauschen kann. Beispielsweise der TO ist ein Verein für Fahrtensegler. Auch auf Facebook gibt es viele nützliche Seiten und Gruppen zu dem Thema. Ein gutes Onlineportal, mit vielen Beiträgen rund um das Thema, ist Blauwasser.de
Jetzt wird’s ernst! Wie finde ich das richtige Boot
Die schlechte Nachricht, es gibt kein perfektes Boot! So ein Boot ist immer ein Kompromiss und eine sehr persönliche Entscheidung. Mal ein paar Beispiele: Die meisten Fahrtensegler bewegen sich heute mit einer Bootsgröße von um die 10-12 Meter Länge. Wir haben aber auch Segler getroffen, die happy mit einem acht Meter Boot von Europa bis in den Pazifik gekommen oder mit einem neun Meter Boot unten um Südamerika herum durch das wilde Patagonien gesegelt sind. Andere fühlen sich unter 14 Meter eingeengt und unsicher.
Auch beim Thema Material geht es hoch her, Stahl und Alu halten auch mal eine Kollision mit einem Riff, Container, Baumstamm o.ä. aus, bei der eine neue GFK-Yacht mit Sicherheit untergehen würde, sind dafür aber wesentlich pflegebedürftiger. Holzboote brauchen unendlich viel Pflege, sind aber sehr einfach zu reparieren.
Dann ist da noch die Frage, ob Einrumpf, Katamaran oder Trimaran. Mehrrumpfboote schaukeln weniger und bieten meist deutlich mehr Wohnkomfort, Segeln aber schlecht hart am Wind und kosten deutlich mehr, wenn man mal in einer Marina liegen will. Auch beim Preis gibt es verschiedene Ansätze, so kann man sich ein neues oder gebrauchtes Boot kaufen. Eines selber bauen, herrichten oder eine ausrangierte Charteryacht übernehmen. Manche kaufen auch Boote im Ausland, in der Karibik sind beispielsweise viele Schnäppchen zu haben. Ich könnte noch etliche Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Ansätze aufzählen, aber jetzt wird’s schwammig.
Natürlich gibt es da auch noch Erfahrungswerte von Weltumseglern und Zertifikate für die Hochseetauglichkeit, aber auch hier ist Vorsicht angesagt. Nur mal als Beispiel: unser 10,5 Meter Stahlboot gehörte in den siebziger Jahren noch zu den großen Booten und war ganz weit vorn in punkto Sicherheit, heute gehören wir eher zu den kleinen und haben uns in den Häfen in Deutschland oft anhören müssen: „Was, mit der Nussschale wollt ihr über den Atlantik???“
Letztendlich hilft nur, sich Boote anzuschauen, mit verschiedenen Bootsbesitzern einmal über die Vor- und Nachteile ihres Bootes zu reden und dann zu entscheiden, auf welchem Boot ich leben kann. Wo fühle ich mich sicher und welches kann ich mir überhaupt leisten. Auch die Ausstattung spielt da mit hinein, und ich meine jetzt nicht die Standardausstattung zum Segeln und Navigieren. Das ist leider wieder so ein Thema, wo die persönlichen Ansprüche an Sicherheit und Komfort eine bedeutende Rolle spielen. Auf einem „schwimmenden Haus“ werden andere Dinge als auf einem Feriensegler benötigt. So lohnt es sich z.B., über das Thema Energieversorgung nachzudenken: Hat das Boot eventuell schon eine Solar- und oder Windanlage? Auch Wasser ist ein Thema: Wie groß sind die Tanks oder gibt es gar einen Wassermacher, der aus Meer- Trinkwasser macht? Hat das Boot genügend Stauraum, um Ersatzteile und Proviant für längere Zeit abseits der Zivilisation zu verstauen? Sind evtl. schon wichtige Werkzeuge und Ersatzteile an Bord…. Ich weiß, ich weiß, keine besonders befriedigende Antwort für diesen Abschnitt, aber ihr seht, dass hier zu viele individuelle Aspekte mit hineinspielen, um sie umfassend zu beantworten.
Mein Tipp: neben Angucken und Austauschen internationale Angebote durchsuchen und dranbleiben, wenn auch auf den ersten Blick nichts dabei ist.
Vom Segelvirus angesteckt und Traumboot in Sicht! Aber was kostet denn nun der Spaß?
Ohje, schon wieder so ein schwammiges Thema. Wieviel jeder von uns zum Leben braucht, hängt schlicht und einfach davon ab: Wie hoch sind meine Ansprüche? In Büchern und im Internet kursieren etliche Kostenauflistungen, Umfragen und Beispielrechnungen, die alle auf ihre Art ihre Richtigkeit haben. Letztendlich steht am Ende aber immer die Frage: Was kann ich, was will ich eigentlich und worauf kann ich verzichten. Wir zum Beispiel haben diese Reise konkret zum Anlass genommen, unsere Konsumgewohnheiten einmal zu überdenken und minimalistischer zu leben, andere wollen ihren Standard auf jeden Fall halten, wie auch immer der aussieht.
Hier mal ein paar Denkansätze, die die Lebenskosten auf einem Boot ganz klar beeinflussen: Will ich in kostspieligen Marinas liegen oder bin ich glücklich, wenn ich umsonst vor Anker liege? Brauche ich kostspielige Versicherungen oder gehe ich das Risiko ohne ein? Will ich Gebiete mit teuren Einreisegebühren bereisen oder vermeide ich diese? Bin ich handwerklich begabt oder muss ich alle Reparaturen in Auftrag geben? Reise ich in Gebiete, wo ich teures Schwerwetterzeug brauche oder reichen Flipflops und Badehose? Bin ich bereit, auf Konsumgüter generell oder zumindest in Ländern, wo diese deutlich teurer sind, zu verzichten? Bin ich bereit und/oder fähig, mich selbst zu versorgen? Ich könnte diese Liste noch ewig weiterführen und jede Frage würde die Kosten wieder verändern.
Auf unserer Reise haben wir Crews getroffen, die mit unter 200 Dollar im Monat unterwegs waren und andere, die nicht unter 3000 klarkamen. Wir liegen ungefähr in den Mitte. Ich kann nur empfehlen, sich genau solche Fragen vor der Reise zu stellen, dann ein Boot unter den Blogs rauszusuchen, das einem in seiner Art zu Reisen am nächsten kommt und sich grob an deren Kosten zu orientieren. Die gute Nachricht, generell wird man vermutlich günstiger wegkommen als bei einer Rucksackreise mit Flügen, Bustickets, Restaurants und Hotels.
Und nun mal was persönliches: So waren unsere fast sieben Jahre auf einem Boot!
Das ist jetzt mal ein Plädoyer für das Reisen mit einem Segelboot aber, um ehrlich zu sein, gibt es auf einer solchen Reise natürlich auch Tiefpunkte. Am Anfang sind wir recht unbeschwert an das ganze Projekt gegangen, hatten unser Boot gut ausgestattet, waren neugierig auf die Häfen und Ankerplätze dieser Welt und noch ziemlich naiv, was alles auf uns zukommt. Nach etwa einem Jahr begannen dann die Kinderkrankheiten unseres Bootes, hier eine kleine Reparatur, und da eine. Das hat uns nicht aus der Bahn geworfen, alles war handelbar. Als sich dann jedoch die Kinderkrankheiten zu größeren Baustellen auswuchsen und diese sich häuften, gab es schon den Moment, an dem wir uns gefragt haben, ob es Sinn macht, weiterzusegeln, oder ob wir die Kiste nicht doch irgendwo verkaufen sollen.
Mit einem angeknacksten Rigg, spotzendem Motor und aufgerauchten Batterien durch die Gegend zu juckeln hat uns wenig Spaß gemacht. Das war dann auch noch in Kuba, und dort an Ersatzteile kommen? Und doch hat uns Kuba ein so strahlendes Gesicht gezeigt, hat uns so viel Wärme und Lebensfreude gegeben, dass solche Probleme in den Hintergrund gerückt sind. Wir haben dadurch auch gelernt zu improvisieren, zu mcgyvern, wie wir immer sagen. Und siehe da, manchmal entstehen bei der Suche nach Ersatzteilen an abgelegenen Orten auch wieder Begegnungen, unvergesslich bleiben.
Klar muss man sich auch darüber sein, dass der Lebensraum beschränkt ist. Unser Boot hat gerade mal eine Tür, die Klotür, und da kann man sich auch nicht verschanzen, wenn die Luft dick ist. Abhauen geht auch nicht, wenn man unterwegs ist, denn drumherum ist nichts als Wasser. Das heißt, dass man einander vertrauen muss und sich zutrauen muss, auf engem Raum zusammen zu leben. Wir haben erlebt, wie wir als Team und nicht als Paar zusammenarbeiten müssen, um uns durch Stürme und Flauten zu kämpfen. Die Segler sagen, dass ein Jahr auf einem Boot wie fünf Jahre einer Beziehung an Land sind. Uns hat es gutgetan, andere sind daran zerbrochen.
Wir haben auch gemerkt, wie flexibel wir sein müssen, dass wir Orte auslassen mussten, zugunsten von Wellness für unser Boot und der Berücksichtigung von Saisons. So manches Mal mussten wir zähneknirschend an einem Ort ausharren, da einfach nicht das richtige Wetter zum Weitersegeln kommen wollte. Aber da ist man selten allein und es entstehen immer wieder neue Freundschaften. Und manchmal kommt dann der perfekte Wetterbericht, los gehts und doch kommt alles anders. Du wirst wie blöd in den Wellen hin und her geworfen, Sturzregen oder Gewitter ziehen auf, der Wind bläst garnicht oder doppelt so stark wie angesagt und du denkst dir: Wäre ich doch bloß zuhause auf der Couch geblieben. Dann wieder diese perfekten Tage, in denen das Boot nur so durch das Blau pflügt, vorne die Delfine am Bug und nachts das Meeresleuchten am Heck.
Und dennoch: Nach wie vor haben wir die richtige Entscheidung getroffen. Unser Boot brachte uns an Orte, die für Rucksackreisende nur schwer zugänglich oder schlicht zu teuer sind, wie beispielsweise die abgelegeneren Kapverden, die kleinen Antillen, die Dschungelflüsse der Guyanas, die „Jardines de la Reina“ vor Kuba, die San-Blas-Inseln in Panama, die Tuamotus im Pazifik, die Osterinsel oder Kiribati.
Dann die Erfahrung, wochenlang fernab von allem, allein in einem kleinen Boot, den Ozean zu überqueren, ein unbeschreibliches Erlebnis! Kommt man dann einmal mit seinem Boot an, ist man mittendrin im neuen Kulturkreis und steht nicht mit einem dicken Jetlag in der Parallelwelt eines sterilen, klimatisierten Flughafens.
Die fiesesten Stürme sind vergessen, wenn der Anker erstmal hält und wir von einer türkisblauen Lagune umgeben sind, die wir beschnorcheln und erkunden können. Fische fangen und Kokosnüsse essen, sich selbst versorgen, ganz nah an der Natur sein. Für uns ist es wichtig, es einfach zu halten, keep it simple, weg von den großen Ankerplätzen mit Jet Skis und Halligalli. Lieber dort, wo sich die Einheimischen rumtreiben und genau die scheinen unsere kleine, immer etwas rostige INTI zu mögen und heißen uns meist herzlich willkommen!
Wir haben natürlich nicht nur Reparieren, Improvisieren, Überleben und sehr viel über uns selbst gelernt, nein, wir haben die unbeschreibliche Vielfalt der Natur und die unterschiedlichsten Menschen und ihre Kulturen kennengelernt, genau das, was wir uns am Anfang vorgestellt haben! Im San-Blas-Archipel die Kunas, das zufriedene, simple Leben der unglaublich gastfreundlichen Menschen auf den Atollen im Pazifik, die raue Natur und das wilde Leben der Osterinsel, die relaxte swinging Rastakultur der Karibik, die unbeschreibliche Dynamik Kubas, die melancholische Schönheit der Kapverden…so nah dran und so direkt, wie auf keiner unserer Rucksackreisen zuvor!
danke Euch für diesen Bericht, der sich so wohltuend von den “Luxusreisen” anderer Segler unterscheidet, ich habe selber auch schon einige Stunden, Tage und Wochen auf Segelyachten verbracht, doch immer mit dem Gefühl im Nacken, doch etwas versäumt zu haben. Ihr könnt besser vermitteln, dass Ihr direkt und mittendrin dabei seid! Gerhard
Lieber Gerhard, danke für Dein feedback. Es gibt so viele unterschiedliche Herangehensweisen an so eine Reise und wir wollten einfach zeigen, wie es bei uns gelaufen ist 🙂
Hallo Ihr lieben, der Bericht ist so richtig gut geschrieben. Wir haben uns in vielen Punkten auch wieder erkannt, besonders die Herangehensweise von ersten Überlegungen, der Suche, bis zum unterwegs sein. Mit der Liebe zur Natur und den Schätzen, anderer Kulturen , Menschen und Länder und da vor allem auch, mit dem respektvollen Umgang miteinander. Ihr macht das richtig toll mit Euren Vorträgen, weiter viel Spass und Erfolg damit.
Liebe Grüße aus Fürth
Claudi und Mich… SY Kassiopeia
Hey, wie schön von Euch zu hören! Vielen Dank für den lieben Kommentar. Euer Blog hat damals übrigens auch viel zu unserer Entscheidung mit einem Segelboot loszufahren beigetragen 🙂 Viele liebe Grüße zurück!!
Und eins ist auch zu bedenken: ein Segelboot für Langfahrt ist meist um 12m lang. Ein WoMo mit dem man noch einigermaßen beweglich ist, höchstens 6-7 m. Außerdem bewegt man sich auf einem Boot unter und auf Deck…
Entsprechend ist die Wohnqualität eine ganz andere! 😉